Wenn dünne Luft gefährlich wird

Was tun bei Höhenkrankheit?

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Wer den faszinierenden Ausblick in eisiger Höhe genießen möchte muss sich gut akklimatisieren.

Ob der Trip zum Kilimandscharo oder die Fahrt mit der Seilbahn auf das kleine Matterhorn – immer mehr Menschen zieht es zum Wandern, Bergsteigen, Skifahren oder Sightseeing in eisige Höhen. Doch weit oben wird die Luft dünner und es drohen Höhenkrankheiten. Wer hoch hinaus will, sollte die Warnzeichen für Bergkrankheit und Höhenhirnödem kennen und wissen, was im Notfall zu tun ist.

Wenn die Luft dünn wird

Höhenreisen werden immer beliebter und durch bessere Infrastrukturen und die moderne Technik auch für immer mehr Menschen möglich. Doch wer sich in dünne Luft begibt, begibt sich auch in Gefahr. Je nach Veranlagung droht ab 2000 m über dem Meeresspiegel die Höhenkrankheit, ab 3000 kann es zum lebensbedrohlichen Höhenlungenödem, ab 4000 zum Hirnödem mit Koma kommen. Grund dafür ist der mit zunehmender Höhe fallende Luftdruck. Dadurch sinkt auch der Sauerstoffgehalt der Umgebungsluft, d.h. es steht weniger Sauerstoff zum Einatmen zur Verfügung. Wird weniger Sauerstoff eingeatmet, wird auch weniger davon im Blut zu den Organen transportiert. Es droht Sauerstoffmangel, der sich zuerst im Gehirn auswirkt.

Doch zu einem gefährlichen Sauerstoffmangel muss es nicht kommen. Denn der Organismus hat einiges in petto, wie er auf die dünne Luft reagieren kann. Zunächst einmal wird durch den niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut die Atmung angeregt. Außerdem schlägt das Herz schneller, d.h. das Blut fließt schneller durch den Körper. Dadurch werden auch die sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen schneller mit Sauerstoff be- und entladen. Auf diese Weise kann der Körper ein gewisses Maß an Sauerstoffmangel in der Höhenluft akut ausgleichen.

Längerfristig wird ein weiterer Kompensationsmechanismus in Gang gesetzt. Im Knochenmark steigt die Produktion von roten Blutkörperchen, den Erythrozyten. Gibt es mehr davon, wird pro Volumeneinheit mehr Sauerstoff transportiert und die Leistungsfähigkeit des Organismus deutlich verbessert. Die Herzfrequenz kann wieder sinken und auch die Atemnot verschwindet. Mithilfe dieses Vorgangs (der Akklimatisation) ist der Organismus in der Lage, sich an große Höhen anzupassen. Dafür braucht er aber Zeit – und einen langsamen Aufstieg.

Hinweis: Genau dieser Kompensationsmechanismus ist der Grund, warum Ausdauersportler*innen im Rad- oder Fußballsport ihr Training in Höhenlager verlegen. Denn durch die Akklimatisation steigt mit der Anzahl der roten Blutkörperchen auch die körperliche Leistungsfähigkeit. Ein Effekt, von dem die Athlet*in dann auch für eine gewisse Zeit bei Wettbewerben im Tiefland profitiert.

Die Folgen des zu schnellen Aufstiegs

Bekommt der Körper jedoch nicht ausreichend Zeit, sich an die Höhe anzupassen, droht die akute Höhenkrankeit (oder auch akute Bergkrankheit). Mehr als ein Viertel derjenigen, die aus dem Tiefland über 3500 m erklimmen oder anderweitig bereisen, leiden daran. Ab 6000 m ist es sogar jeder Zweite, der damit zu kämpfen hat. Prinzipiell kann die akute Höhenkrankheit bei gesunden Menschen ab 2000 m auftreten. Doch bei bestimmten Vorerkrankungen von Herz oder Lunge können sich die Beschwerden sogar schon auf niedrigeren Höhen bemerkbar machen.

Meist beginnen die Symptome nach etwa vier bis sechs Stunden und erreichen ihr Maximum am ersten oder zweiten Tag. Leitsymptom ist der Kopfschmerz, der in der Regel von mindestens einer weiteren Beschwerde wie Schwindel, Müdigkeit, Schwäche, Appetitlosigkeit oder Übelkeit begleitet wird. Mithilfe eines einfachen Fragebogens können Erwachsene auf dem Berg eine Selbstbewertung durchführen. Grundlage ist der Lake-Louise-Score. Danach liegt eine akute Höhenkrankheit vor, wenn in den vier folgenden Kategorien mindestens drei Punkte erreicht werden, wovon mindestens einer aus der Kategorie Kopfschmerz stammen muss:

  • Kopfschmerzen: keine (0), leichte (1), mäßige (2), starke (3)
  • Magen-Darm-Symptome: normaler Appetit (0), geringer Appetit oder Übelkeit (1), mäßige Übelkeit oder Erbrechen (2), starke Übelkeit oder Erbrechen, deutlich einschränkend (3)
  • Müdigkeit/Schwäche: nicht müde oder geschwächt (0), leicht müde oder geschwächt (1), mäßig müde/geschwächt (2), schwere, deutlich einschränkende Müdigkeit oder Schwäche (3)
  • Schwindel/Benommenheit: kein Schwindel/Benommenheit (0), leichter Schwindel/Benommenheit (1), mäßiger Schwindel/Benommenheit (2), starker Schwindel/Benommenheit (3).

Meist ist die akute Höhenkrankheit selbstlimitierend. Das bedeutet, dass sich die Beschwerden durch die Anpassungsvorgänge des Körpers innerhalb von einem bis drei Tage von selbst bessern. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Aufstieg sofort abgebrochen und die Nachtruhe abgewartet wird. Verschwinden die Probleme wieder, kann der Aufstieg am folgenden Tag fortgesetzt werden. Bleiben die Symptome bestehen oder verstärken sie sich sogar, muss auf eine Höhe unter 2500 m abgestiegen werden. Das Gleiche gilt, wenn Kopfschmerzen oder Schwindel von Beginn an schwer bzw. stark sind oder der Leistungsabfall rapide.

Hinweis: Durch Ausschüttung gefäßerweiternder Substanzen kommt es auch ohne Höhenkrankheit bei manchen Menschen in Höhen über 2500 m zu Kopfschmerzen. Besonders anfällig dafür sind Migränekranke.

Selten, aber lebensgefährlich: Höhenhirnödem und Höhenlungenödem

Lebensgefährlich wird es, wenn es aufgrund der dünnen Luft zu einem Hirnödem (Hirnschwellung) oder einem Lungenödem kommt. Das Höhenhirnödem tritt fast ausschließlich auf Höhen über 4000 m auf. Meist zeigen sich die Beschwerden nach etwa zwei Tagen. In der Regel entwickelt es sich aus einer akuten Höhenkrankheit. In seltenen Fällen können vorherige Kopfschmerzen und Übelkeit auch fehlen.

Zeichen des Höhenhirnödems sind Unsicherheiten beim Stehen und Sitzen, Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie) sowie eine eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit. Gerade Letztere ist problematisch, da sie die Einordnung der Beschwerden und die adäquate Reaktion darauf behindern kann. Im weiteren Verlauf drohen Bewusstseinsstörungen, die schnell in ein Koma münden können. Unbehandelt führt das Höhenhirnödem zum Tod.

Das Höhenlungenödem braucht etwa zwei bis vier Tage, bis es sich entwickelt. Es tritt ab etwa 3000 m auf, bei Lungen- oder Herzkranken auch schon in niedrigeren Höhen. Fast die Hälfte der Betroffenen leidet vorher nicht unter einer akuten Höhenkrankheit. Das Höhenlungenödem zeigt sich mit zunehmende Atemnot, trockenem, später auch blutigem Husten sowie Rasselgeräuschen bei der Atmung. Dazu kommen leichtes Fieber, Brustschmerzen und blauen Lippen.

Diese Zeichen geben Alarm

Ob schwere akute Höhenkrankheit, Höhenhirnödem oder Höhenlungenödem: Expert*innen unterscheiden zwischen Warnzeichen und Alarmzeichen, die zum Handeln zwingen.

Bei den folgenden Warnzeichen ist sofort abzusteigen, auch in der Nacht. Der Abstieg muss immer mit einer Begleitperson erfolgen:

  • rapider Leistungsabfall und konstante schwere Kopfschmerzen
  • Atemnot, schnelle Atmung, Herzrasen, Schlaflosigkeit
  • schwere Übelkeit und Erbrechen
  • Schwindel, Gangunsicherheit, Benommenheit
  • reduzierte Harnmenge (weniger als ein halber Liter pro Tag) und dunkler Urin.

Akute Lebensgefahr besteht, wenn folgende Alarmsymptome vorliegen:

  • schwerkranke, bewusstlose oder verwirrte Person
  • Atemnot schon in Ruhe, rasselnde Atmung, Husten mit braunem (blutigem Auswurf)
  • Bewegungsstörungen, blau verfärbte Lippen.

Bei diesen Alarmsymptomen müssen Betroffene sofort absteigen bzw. abtransportiert werden, und zwar auf Höhen von 500 bis maximal 1000 m. Auf die Ankunft eines Hubschraubers darf man nicht warten, der Transport muss zur Not händisch mit einer Trage organisiert werden.

Therapie der Höhenkrankheit

Oberstes Gebot bei der Höhenkrankheit ist je nach Ausmaß der Abbruch des Aufstiegs und eine Rast bzw. der Abstieg. Daneben gibt es auch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Von den verwendeten Medikamenten ist allerdings keines für die Therapie oder Vorbeugung der Höhenkrankheit zugelassen, der Einsatz erfolgt also off-label.

Bei der leichten Höhenkrankheit lassen sich die Kopfschmerzen mit ASS, Ibuprofen oder Paracetamol gut behandeln. Bei schweren Verläufen wird Dexamethason empfohlen, und zwar 4 mg alle sechs Stunden über 24 Stunden. Eine Kombination mit dem Entwässerungsmittel Acetazolamid ist möglich. Liegt ein Höhenhirnödem vor, verabreicht man zunächst 8 mg Dexamethason und dann bis zum Abstieg alle sechs Stunden erneut 4 mg. Bei Hirn- oder Lungenödem sollte Sauerstoff aus Flaschen gegeben oder eine mobile Überdruckkammer eingesetzt werden. Die Gabe von 30 mg retardiertem Nifedipin alle zwölf Stunden ist beim Höhenlungenödem hilfreich – der Wirkstoff senkt den erhöhten Blutdruck in den Lungengefäßen.

Hinweis: Die beste Behandlung der Höhenkrankheit ist der Abstieg! Zwingend erforderlich ist dieser, wenn sich eine akute Höhenkrankheit verschlechtert, ein Höhenhirn- oder Höhenlungenödem vorliegt oder die Person nicht auf die Standardbehandlung anspricht.

Wie vermeidet man die Höhenkrankheit?

Grundsätzliche Maßnahme zur Vermeidung einer Höhenkrankheit ist der langsame Aufstieg. Ausschlaggebend dabei ist die Höhe der Nachtruhe. Hat man einmal 3000 m erreicht, sollten die Schlafstätten der folgenden Nächte jeweils nicht mehr als 500 m höher liegen. Es hilft dem Körper bei der Akklimatisation, alle zwei bis drei Tage einen Ruhetag einzulegen. Dabei sollten die Schlafstätten davor und danach auf gleicher Höhe liegen.

Prinzipiell ist es gut, in den ersten Tagen den Aufstieg langsam anzugehen – körperliche Anstrengung erhöht die Gefahr, dass sich eine Höhenkrankheit entwickelt. Weitere Risikofaktoren für die Höhenkrankheit sind Alkoholgenuss und ein Flüssigkeits- oder Mineralstoffmangel. Auf jeden Fall zu vermeiden sind schnelle, motorisierte Aufstiege auf Höhen über 3500 m. Das gilt sowohl für den Landweg über Seilbahnen als auch für den Luftweg mit dem Hubschrauber. Vor allem vorerkrankte Menschen reagieren bei solchen Aktionen mit Höhenkrankheiten jeden Ausmaßes.

Eine medikamentöse Prophylaxe wird von Höhenmediziner*innen nur in Einzelfällen empfohlen. Dazu gehören Menschen, die wiederholt eine Höhenkrankheit oder ein Höhenhirnödem erlitten haben. Eine Option ist die Verabreichung von Acetazolamid alle zwölf Stunden, vom Vorabend des Aufstiegs an. Auch die Einnahme von Dexamethason ist zur Vorbeugung möglich. Menschen, die schon einmal ein Höhenlungenödem erlitten haben, raten Expert*innen prophylaktischen zu retardiertem Nifedipin.

Hinweis: Ob jemand eine Höhenkrankheit entwickelt, ist bei gesunden Menschen weder eine Frage der Fitness noch des Alters. Auch Raucher*innen haben gegenüber Nichtraucher*innen kein erhöhtes Risiko dafür. Einzig Kinder und Menschen, die schon einmal eine Höhenkrankheit hatten, scheinen anfälliger zu sein.

Wer darf nicht hoch hinaus?

Für eine Akklimatisation muss der Körper Atmung und Durchblutung ankurbeln. Dafür braucht er ein gut funktionierendes Herz-Kreislauf-System und eine funktionstüchtige Lunge. Deshalb versteht es sich von selbst, dass Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen nicht auf Höhen über 2500 m reisen sollten. Dazu gehören beispielsweise

  • fortgeschrittene Lungenerkrankungen (COPD, zystische Fibrose, Lungengerüsterkrankungen), pulmonale Hypertonie
  • unkontrollierte Herzschwäche (dekompensierte Herzinsuffizenz)
  • Herzinfarkt oder Schlaganfall innerhalb der letzten 90 Tage, instabile Angina pectoris
  • Sichelzellanämie
  • In jedem Fall sollten vorerkrankte Menschen, die Ausflüge oder Reisen in große Höhen planen, vorher ihre behandelnde Ärzt*in dazu befragen.

Quelle: Leopoldt D, DAZ 2022; 29: 48; Universitätsspital Zürich

Autor*innen

Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 16:51 Uhr