Gibt es bestimmte Lebensgewohnheiten, die Kopfschmerzen fördern oder vorbeugen? Stefanie Förderreuther von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft klärt über den Zusammenhang von Lebensführung und Kopfschmerzen auf.
Frau Förderreuther, etwa fünf Prozent der Deutschen leiden unter täglichen Kopfschmerzen, 70 Prozent haben chronisch wiederkehrende oder anfallsartige Kopfschmerzen. Gibt es bestimmte Lebensgewohnheiten, die den Kopfschmerz fördern?
Förderreuther: Ja, dazu ist gerade eine Veröffentlichung in der renommierten Zeitschrift „Neurology“ erschienen. Über 5.800 norwegische Jugendliche wurden zu ihrem Lebensstil und dem Auftreten von Kopfschmerzen befragt. Es zeigte sich, dass wiederkehrende Kopfschmerzen häufiger mit Übergewicht, geringen sportlichen Aktivitäten und Rauchen einher gingen.
Eine etwas kleinere Erhebung aus Deutschland, an 1.260 Gymnasiasten der 10. und 11. Klasse hatte vergleichbare Ergebnisse: Das häufige Konsumieren von alkoholischen Getränken und Kaffee, Rauchen und wenige körperliche Aktivitäten standen mit dem Auftreten von Migräne und Spannungskopfschmerzen in Zusammenhang.
Durch eine gesunde Lebensweise kann man also offenbar durchaus Einfluss auf diese Kopfschmerzen nehmen. Die genetische Vorbelastung spielt zwar sicher mit eine Rolle, aber sie ist eben nicht der einzige Faktor. Da wir die genetischen Faktoren nicht beeinflussen können, ist es besonders wichtig, sich auf solche Dinge zu konzentrieren. Je früher wir Kopfschmerzen gezielt behandeln, umso geringer sind die Risiken für eine spätere Chronifizierung.
Aber kann man den Kopfschmerzen auch komplett vorbeugen?
Förderreuther: In einem gewissen Maß kann man natürlich vorbeugen. Die meisten Betroffenen bemerken selbst, dass es Auslöser gibt, die sie beeinflussen können. Dazu gehören in erster Linie beruflicher und privater Stress. Die beruflichen Anforderungen werden immer höher. Viele meiner Patienten erzählen, dass in ihrer Abteilung Personal gespart wurde, dass sie jetzt noch mehr Aufgaben zu erledigen haben und nicht mehr wissen, wie sie ihr Pensum erfüllen sollen.
Zu den Auslösern gehören aber auch Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf wie das Weglassen einer Mahlzeit, zu wenig Flüssigkeitszufuhr, aber auch zu viel oder zu wenig Schlaf. Bei Menschen, die in der Woche immer früh aufstehen und am Wochenende regelmäßig Kopfschmerzen bekommen, kann es schon helfen, am Wochenende den Wecker zur gewohnten Zeit läuten zu lassen und kurz wach zu werden. Danach können sie weiterschlafen und ersparen sich so vielleicht den einen oder anderen Kopfschmerztag. Bewegungsmangel, zuviel Alkohol, alles das sind Faktoren, die man angehen kann. Oft hilft es, einmal einen Kopfschmerzkalender zu führen, um Auslöser zu erkennen. Was viele Patienten nicht wissen ist, dass die häufige und übermäßige Einnahme von Schmerzmitteln im Endeffekt Kopfschmerzen chronifiziert.
Ist die regelmäßige medikamentöse Behandlung von Kopfschmerzen trotzdem sinnvoll?
Förderreuther: Bei jeder Kopfschmerztherapie ist, zwischen der Akutbehandlung der Kopfschmerzen und der vorbeugenden Therapie zu unterscheiden. Die Akuttherapie mit Medikamenten lindert den akuten Schmerz. Es ist aber ein Problem, dass alle Substanzen, die man zur Behandlung von Kopfschmerzen einsetzen kann, bei Kopfschmerzpatienten wiederum zu Medikamenten-induzierten Kopfschmerzen führen können. Das passiert, wenn Schmerzmittel immer häufiger und in immer höheren Dosierungen, schließlich sogar schon vorbeugend genommen werden. Besonders problematisch sind aus dieser Sicht spezielle Migränemedikamente, die sogenannten Triptane. Werden sie über Monate an mehr als zehn Tagen im Monat genommen, führt das zu einer Zunahme der Migräneattacken. Einzige Rettung aus diesem Teufelskreis ist dann ein regelrechter Medikamentenentzug. Viel besser ist es, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.
In der vorbeugenden Kopfschmerztherapie gibt es stattdessen nicht medikamentöse Maßnahmen, die vielen Patienten allerdings zu aufwendig sind. Das sind Entspannungstechniken, regelmäßiger Ausdauersport wie Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Verhaltenstherapie wie das Erlernen von Stressbewältigungsstrategien.