Mit dem Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf verbessern sich die politischen Rahmenbedingungen für Berufstätige, die Angehörige pflegen. Doch für Betroffene zählen vor allem Führungs- und Unternehmenskultur. Neue Studien und Daten der Techniker Krankenkasse (TK) beziffern, wie groß der Spagat zwischen Job und Pflege wirklich ist.
Viele Angehörige kürzen ihre Arbeitszeit
„Pflegeaufgaben zu übernehmen, wirkt sich auf das Berufsleben aus“, erklärt Wolfgang Flemming, Fachbereichsleiter und Pflegeexperte bei der TK. Das bestätigt die TK-Pflegestudie, für die das Meinungsforschungsinstitut Forsa mehr als 1.000 pflegende Angehörige befragt hat. Unter den erwerbstätigen Frauen hat jede Dritte (32 Prozent) aufgrund der Pflegetätigkeit ihre Arbeitszeit reduziert. Bei den Männern hat das jeder Vierte (25 Prozent) getan. „Hier spielt vermutlich mit hinein, dass Männer sicher nach wie vor meist Haupternährer in der Familie sind“, vermutet Flemming. Je höher die Pflegestufe des zu Betreuenden, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Angehörige die Arbeitszeit drosseln.
Der Akutfall kollidiert besonders mit dem Job
„Im Akutfall sind die Angehörigen besonders gefordert. Um die Betroffenen hier zu unterstützen, hat der Gesetzgeber erste Schritte in die richtige Richtung unternommen“, erläutert Flemming. Angehörige haben die Möglichkeit, eine Auszeit von bis zu zehn Tagen zu nehmen, wenn sie kurzfristig eine neue Pflegesituation organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherstellen müssen. Mit dem Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf haben Angehörige zukünftig während der zehntägigen Auszeit Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung. „So können sich pflegende Angehörige auf das Organisatorische konzentrieren und müssen sich keine Sorgen um den Lohnausfall machen“, meint Flemming. Die neuen Regelungen sollen am 1. Januar 2015 in Kraft treten. Die Kosten trägt die Pflegeversicherung. Das Bundesfamilienministerium schätzt die Mehrausgaben der Pflegeversicherung für das Pflegeunterstützungsgeld auf 94 Millionen Euro pro Jahr.
Rückendeckung im Unternehmen zählt
Darüber hinaus sollen Beschäftigte künftig einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten haben. „Von den Neuregelungen profitieren auch die Unternehmen, weil ihre Mitarbeiter im Pflegefall nicht voll aus dem Beruf aussteigen müssen. So können die Betriebe ihre Fachkräfte weiterhin halten“, erklärt Heiko Schulz, Psychologe und Demografieberater im innerbetrieblichen Gesundheitsmanagement bei der TK.
Schulz verweist jedoch auf eine aktuelle Gesundheitsstudie, die nachweisen konnte, dass gesetzliche Rahmenbedingungen allein nicht ausreichen, sondern Unterstützungsangebote auch vom Unternehmen und deren Führungskräften umgesetzt und gestaltet werden müssen. Schulz betont: „Pflegende Mitarbeiter sind deutlich weniger unter Druck, wenn sie im Unternehmen und von den Kollegen Rückendeckung erhalten. Sie fühlen sich im Vergleich zu Pflegenden, die kein Verständnis für ihre Situation erfahren, um 30 Prozent weniger belastet.“ Die Betriebe könnten hier ganz konkret mit flexiblen Arbeitszeiten und Mitarbeiterberatung Betroffenen unter die Arme greifen, schlagen die Experten der TK vor.