Hustenlöser als zelluläre „Müllabfuhr“

Wie wirkt Ambroxol?

Was hat ein Hustenlöser mit der Müllabfuhr gemeinsam? Forscher bestätigen: Ambroxol, der Bestandteil vieler Hustensäfte, transportiert Abbauprodukte aus den Zellen. Dadurch eignet es sich eventuell auch zur Behandlung anderer Krankheiten.

Über 30 Jahre ist Ambroxol wirksamer Bestandteil von Hustensäften und Halsschmerzpastillen. In dieser Zeit blieben die Vorgänge, die der bewährte Hustenlöser im Körper auslöst, nahezu unbekannt. Nun hat der Ulmer Professor Paul Dietl Licht ins Dunkel gebracht. Der Leiter des Instituts für Allgemeine Physiologie an der Uni Ulm entschlüsselte mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den Wirkmechnismus des Arzneistoffs.

Hustenlöser entleert zelluläre Müllschredder

„Ambroxol wirkt als eine Art zelluläre Müllabfuhr,“ erklärt Dietl. Angriffsziel des Ambroxols sind bestimmte Zellbestandteile, die Lysosomen. Sie üben in der Zelle die Funktion eines Müllschredders aus, indem sie alte und fehlerhafte Eiweiße verdauen. Ambroxol sorgt dafür, dass sich die Lysosomen entleeren. Hierzu lagert sich der schwach basische Arzneistoff an den Lysosomen an und neutralisiert deren saure Oberfläche. Durch die pH-Wert-Änderung öffnen sich Calciumkanäle in der Lysosomenmembran. Das ausgeschüttete Calcium bewirkt, dass die Lysosomen mit der Zellmembran verschmelzen und die in ihnen enthaltenen Abfallprodukte nach außen abgeben. Ambroxol gleicht im übertragenen Sinne einer Reinigungskraft, die den Müllschredder entleert und den Abfall aus dem Haus trägt.

Ambroxol fördert die Freisetzung von Surfactant

An der Wirkung von Ambroxol beteiligt sich ein weitere Komponente: Surfactant. Dieser Stoff entsteht in bestimmten Lysosomen aus Fetten und fettlöslichen Eiweißen. Er sorgt dafür, dass die kleinen Atemwege nicht verkleben, verflüssigt vermutlich zähes Hustensekret und bindet als Bestandteil des angeborenen Immunsystems Viren und Bakterien. Indem Ambroxol Surfactant aus den Lysosomen freisetzt, wirkt es hustenlösend und entzündungshemmend.

Wirkungsmechanismus lässt auf neue Einsatzmöglichkeiten schließen

Mit seinem speziellen Wirkmechanismus gehört Ambroxol einer eigenen, neuen Wirkstoffspezies an. Forscher halten es für möglich, dass Arzneistoffe dieser Art künftig auch bei anderen Krankheiten zum Einsatz kommen. Bei Parkinson und bestimmten lysosomalen Speicherkrankheiten etwa sammeln sich Abfallprodukte in der Zelle an. Arzneistoffe, die wie Ambroxol die Abfallspeicher der Zelle entleeren, könnten den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Autor*innen

12.01.2016 | Susanne Schmid/ Universität Ulm