Weitergeleitet von Polyglobulie (Überzahl roter Blutkörperchen)

Polyglobulie und Polyzythämie

Polyglobulie (Blutverdickung): Überschießende Bildung roter Blutkörperchen, entweder als primäre, eigenständige Erkrankung (Polyzythämie, Polycythaemia vera; selten) oder als Folge einer anderen Krankheit (sekundäre Polyglobulie; häufig).

Leitbeschwerden

  • Gesichtsröte („blühende“ Hautfarbe)
  • Möglicherweise Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen
  • Juckreiz

Die Erkrankung

Patienten mit Polyzythämie haben oft eine auffallende Gesichtsröte, die nicht selten als Zeichen von Gesundheit fehlgedeutet wird.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die häufigste Ursache eines Zuviels an roten Blutkörperchen ist das Rauchen, gefolgt von Lungen- oder Herzerkrankungen, die einen Sauerstoffmangel in den Geweben auslösen. Um mehr Sauerstoff bereitzustellen, werden verstärkt rote Blutkörperchen gebildet, in der Folge dickt das Blut ein. Seltener kurbeln Nierentumoren durch Abgabe des Hormons Erythropoetin die Bildung roter Blutkörperchen zu stark an. Manche Sportler missbrauchen das Hormon als Dopingmittel.

Von diesen (sekundären) Polyglobulien mit feststellbarer Ursache abzugrenzen ist die Polyzythämie, bei der sich die Blutstammzellen im Knochenmark langsam, aber unkontrolliert vermehren. Die Polyzythämie gehört zu den myeloproliferativen Erkrankungen, sie betrifft v. a. Ältere.

Das macht der Arzt

Die Unterscheidung zwischen den beiden Polyglobulieformen fußt vor allem auf Blutuntersuchungen (z. B. sind bei einer Polyzythämie weiße Blutkörperchen und Blutplättchen ebenfalls erhöht) und Lungenfunktionsprüfungen (bei Polyzythämie normal). Die Diagnosesicherung erfordert bei der Polyzythämie eine Knochenmarkuntersuchung. Im Zweifel kann heute eine molekulargenetische Blutuntersuchung bei fast allen Polyzythämie-Patienten die JAK2-Mutation nachweisen.

Gefährlich werden alle Polyglobulien dadurch, dass die zu große Menge an roten Blutkörperchen das Blut zäh werden lässt, sodass es zu Durchblutungsstörungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt oder zu Thrombosen (Blutgerinnsel, die ein Gefäß verstopfen) kommen kann. Zur Blutverdünnung wird dem Patienten deshalb als „Erstmaßnahme“ bei einem Aderlass Blut entnommen und durch Flüssigkeit ersetzt. Bei sekundären Polyglobulien wird außerdem die Ursache des Sauerstoffmangels beseitigt. Bei der Polyzythämie vermögen Aderlässe und eine Behandlung mit Alpha-Interferon und/oder Hydroxyharnstoff (z. B. Litalir®) die Anzahl der Zellen meist über Jahre gut zu senken. Obwohl es sich bei letzterem um ein Zytostatikum handelt, ist die Behandlung in der Regel sehr gut verträglich. Litalir® erhöht aber langfristig das Leukämierisiko. Steigen insbesondere die Blutplättchen und damit die Thrombosegefahr bedrohlich an, können die Blutplättchen mit Anagrelid (Xagrid®) gesenkt werden.

Juckreiz kann mit Antihistaminika oder UV-Licht behandelt werden. Bei erhöhtem Harnsäurespiegel durch gesteigerten Zellumsatz wird Allopurinol (Zyloric®) eingesetzt.

Autor*innen

Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 15:41 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.