Die Konzentration bestimmter Hormone, insbesondere der Geschlechtshormone, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Der Gedanke, durch Hormonersatztherapien aller Art Alterungsvorgänge zu bremsen, elektrisiert Mediziner und Pharmahersteller deshalb schon seit Jahrzehnten. Die Zwischenbilanz nach 50 Jahren Hormonersatztherapieforschung ist allerdings ernüchternd: Fast immer stehen den wenigen erwünschten Effekten zum Teil gravierende Risiken und Nebenwirkungen gegenüber.
Der Grund liegt in der Rolle von Hormonen im Stoffwechsel. Sie haben in aller Regel keine spezifischen (also auf eine bestimmte Funktion begrenzten) Effekte, sondern lösen als Botenstoffe im Organismus an unterschiedlichen Stellen des Körpers unterschiedliche Wirkungen aus (ein Paradebeispiel ist das Kortison, das mindestens 14 Effekte auf den Organismus hat). Es leuchtet ein, dass die Gabe von Hormonen dann günstig ist, wenn dem Körper ein Hormon komplett fehlt: Wenn also z. B. eine Patientin durch eine Operation ihre Eierstöcke verloren hat, wird sie eindeutig und bei richtiger Dosierung nebenwirkungsfrei von einer Hormonersatztherapie profitieren.
Aber dies ist nur bei einer kleinen Minderheit der Ratsuchenden in Sachen Anti-Aging der Fall. Bei den meisten alternden Menschen ist das „Problem“ viel komplizierter: Viele Körperhormone nehmen in ihrer Konzentration im Lauf des Lebens ab, und zwar als natürlicher Teil des Alterns. Wie stark diese Abnahme ist, schwankt von Mensch zu Mensch erheblich, so wie auch bei jungen Menschen die Konzentration von Hormonen im Körper (etwa des Testosterons) unterschiedlich ist. Das bedeutet konkret: Ob ein Messwert im Einzelfall einen „Mangel“ darstellt, ist aus dem gemessenen Wert allein nur schwer abzuleiten – zumal die Wirkungen der Hormone im Körper nicht nur von deren Konzentration im Blut, sondern auch von der Empfänglichkeit der Gewebe für das Hormon sowie von der Konzentration bestimmter Trägerstoffe abhängt, die das Hormon im Blutstrom transportieren.
Das Problem der überwältigenden Mehrheit der Ratsuchenden ist also nicht der Hormonmangel, sondern das Älterwerden. Dass sich letzteres durch die Gabe von Hormonen verhindern lässt, ist durch keine seriöse wissenschaftliche Studie belegt.
Hormontherapie Bewertung
Östrogen und Progesteron (weibliche Geschlechtshormone) Die Hormonersatztherapie bei der Frau wird heute nur noch zur Überbrückung der akuten Wechseljahresbeschwerden empfohlen – ansonsten ist sie gefährlich und z. B. für den Anstieg der Brustkrebsfälle in den letzten 40 Jahren mitverantwortlich.
Testosteron (wichtigstes männliches Geschlechtshormon) Die Testosteronersatztherapie beim Mann wird nur bei nachgewiesenem Testosteronmangel empfohlen (PADAM). Die Grenze, ab wann ein solcher besteht, ist allerdings strittig, ferner auch die Folgen einer mehr als dreijährigen Ersatztherapie. Unklar sind letztlich auch die alterungsbeschleunigenden Effekte von Testosteron. In aufwendigen Untersuchungen durch renommierte Mediziner konnte ein positiver Effekt der Testosteronersatztherapie beim älteren Mann nicht bestätigt werden.
DHEA (Hormonvorstufe der Nebennierenrinde, aus ihr werden männliche und weibliche Geschlechtshormone gebildet) Die Konzentration von DHEA im Körper sinkt im Alter stark ab. Anti-Aging-Mediziner postulieren, dass eine Einnahme der Substanz positive Auswirkungen auf die Muskelmasse habe, die Haut straffer werde und sich das Gedächtnis verbessere. Verlässliche wissenschaftliche Studien dazu fehlen aber. Stattdessen gibt es Hinweise auf eine mögliche Begünstigung von Tumoren. Als Einzelsubstanz ist DHEA in Deutschland bislang nicht zugelassen, sie ist jedoch in Mischpräparaten zur Behandlung von Frauen in den Wechseljahren enthalten.
Melatonin (Hormon der Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert) Melatonin gilt als „Waffe“ gegen freie Radikale. Die angeblichen Anti-Aging-Effekte wurden nie durch seriöse Studien bewiesen und gelten heute eher als Marketingerfindung. In den von manchen Herstellern immer wieder angeführten Studien wurden inzwischen schwerwiegende Mängel nachgewiesen. Außerdem müsste Melatonin exakt zur jeweils gleichen Tageszeit über lange Zeit in relativ hoher Dosierung eingenommen werden, sonst würde der Tag-Nacht-Rhythmus durcheinandergeworfen.
Wachstumshormone (Somatotropin, somatotropes Hormon, STH, Human Growth Hormone, HGH)
Die Bildung von Wachstumshormonen lässt im Lauf des Lebens kontinuierlich nach. Wachstumshormonmangel soll deshalb für viele Alterseffekte wie die wachsenden Fettpolster, die schlechtere Wundheilung und die Diabetesneigung verantwortlich sein. Es besteht der Verdacht, dass die Therapie mit Wachstumshormonen im höheren Lebensalter Krebs begünstigen kann, da die Substanz generell alle Zellen zum Wachstum anregt, also auch möglicherweise vorhandene „schlafende“ Krebszellen. In den USA sind Wachstumshormone trotzdem unbeschränkt erhältlich. Ob die Einnahme als Tablette überhaupt irgendeine Wirkung hat, ist umstritten – die meisten Experten halten nur eine Injektion in das Unterhautfettgewebe für wirksam.
Thymuspräparate (hormonhaltige Aufbereitung aus dem Thymus von Kälbern) Auch die Aktivität der Thymusdrüse, die das Immunsystem steuert, lässt im Lauf des Lebens nach. Thymuspräparate wie z. B. Thym-Uvocal® werden häufig von Heilpraktikern und Naturheilärzten angeboten, manchmal auch unter dem Namen Thymustherapie. Neben dem Anti-Aging-Effekt wird auch eine Stärkung der Immunabwehr und der körpereigenen Krebsabwehr behauptet. Wissenschaftliche Nachweise dazu gibt es nicht.