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Hämochromatose

Ein Patient mit Hämochromatose erhält einen Aderlass - zu sehen sind der Arm und ein Knautschball, um das Blut in die Gefäße zu pumpen.
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Regelmäßige Aderlässe sind bei Hämochromatose Teil der Therapie.

Hämochromatose (primäre Siderose, Hämosiderose, Eisenspeicherkrankheit): Erbliche Eisenstoffwechselstörung mit übermäßiger Eisenaufnahme aus dem Darm. Die Hämochromatose bewirkt eine massive Eisenüberladung und schädigt zahlreiche Organe wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz, Gelenke und Hormondrüsen. Da so viele Organe betroffen sind, leiden die Patient*innen an vielen unterschiedlichen Beschwerden. Typisch ist eine Bronzefärbung der Haut. Hinzu kommen u. a. Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Schwäche, Gewichtsverlust, Oberbauchbeschwerden, Durst, Herzschwäche, Potenz- und Menstruationsstörungen. Die Eiseneinlagerung beginnt schon direkt nach der Geburt, die ersten Symptome zeigen sich jedoch meist erst im Erwachsenenalter, bei Männern früher als bei Frauen. Behandelt wird durch eine eisenarme Diät, regelmäßige Aderlässe und manchmal auch mit Medikamenten. Die Hämochromatose ist nicht heilbar, deshalb muss die Behandlung lebenslang fortgesetzt werden. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto höher ist die Lebenserwartung der Betroffenen.

Leitbeschwerden

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen, wenn die Haut sich immer dunkler färbt und zusätzlich eine oder mehrere der oben beschriebenen Beschwerden auftreten.

Am selben Tag bei plötzlichem sehr starken Durst mit einer Trinkmenge von mehr als 4 Litern am Tag oder bei anhaltendem Herzstolpern oder Herzrasen ohne vorherige Belastung.

Die Erkrankung

Bei der erblichen Hämochromatose wird ständig zu viel Eisen aus dem Darm aufgenommen. Das Eisen lagert sich in zahlreichen Organen ab und schädigt v. a. die Bauchspeicheldrüse, die Leber, das Herz und die Hormondrüsen. Die Beschwerden beginnen bei Männern meist im mittleren Lebensalter. Bei Frauen tritt die Erkrankung später – meist erst nach den Wechseljahren – auf, denn davor wird der Eisenüberschuss durch die Regelblutung "natürlich" entsorgt. Selten kommt es schon vor dem 30. Lebensjahr zu Symptomen.

Krankheitsentstehung

Die Ursache der vermehrten Eisenaufnahme sind verschiedene erbliche Genmutationen. Bei der am häufigsten auftretenden Hämochromatose Typ 1 mutiert beispielsweise das HFE-Gen, welches für die korrekte Funktion des HFE-Proteins zuständig ist. HFE steht für "High-FE" – also "Hohes Eisen". Das HFE-Protein reguliert die Eisenaufnahme aus dem Darm. Ist es defekt, wird ungehemmt Eisen aus dem Darm in das Blut transportiert.

Es gibt noch 4 weitere Typen der Hämochromatose, die jeweils andere, für den Eisenstoffwechsel wichtige Gene betreffen. Die 5 Erkrankungstypen unterscheiden sich darin, in welche Organe am meisten Eisen eingelagert wird und wann die Erkrankung zu Tage tritt. Bei Typ 1 ist zuerst die Leber betroffen und das Erkrankungsalter liegt zwischen dem 30.–50. Lebensjahr. Typ 2a ist seltener und betrifft v. a. das Herz und junge Menschen zwischen dem 10.–20. Lebensjahr. Die 3 anderen Typen sind so selten, dass man sie als medizinische Raritäten bezeichnet.

Klinik

Die Hämochromatose beginnt zunächst schleichend mit allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche und Gewichtsverlust. Relativ früh zeigen sich auch Gelenkschmerzen, die meist zuerst in den Fingergelenken des Zeige- und Mittelfingers auftreten. Später können auch die anderen Fingergelenke sowie Handgelenke, Schulter- und Ellbogengelenke, Hüft- und Kniegelenke betroffen sein.

In der Haut abgelagerte Eisenverbindungen färben diese nach und nach bronzefarben. Die Verfärbung kann dabei entweder diffus den gesamten Körper betreffen oder an einzelnen Körperbereichen besonders ausgeprägt sein, z. B. in den Achselhöhlen, im Gesicht, an den Händen und Unterarmen oder in der Genitalregion. Die betroffenen Regionen sind dann oft auch haarlos.

Bei Hämochromatose Typ 1 wird als erstes Organ v. a. die Leber geschädigt. Durch das eingelagerte Eisen entsteht eine Leberzirrhose – Gewebsvernarbungen, die sich neben Müdigkeit und Schwäche auch mit Schmerzen im Oberbauch bemerkbar machen.

Bei Typ 2a ist zuerst v. a. das Herz betroffen. Die geschädigten Herzmuskelzellen beeinträchtigen die Herzfunktion, was ebenfalls Müdigkeit und Schwäche verursacht. Ein Teil der Betroffenen wird durch Herzrhythmusstörungen und anfallsweises Herzrasen auffällig.

Bei beiden Typen ist auch die Hirnanhangsdrüse von der Eiseneinlagerung betroffen. Diese Drüse reguliert die Funktion der Geschlechtsdrüsen. Die Unterfunktion der Drüsen verursacht Hormonstörungen. Bei Männern schrumpfen die Hoden, bei Frauen wird die Regelblutung immer schwächer und bleibt irgendwann ganz aus. Hinzu kommen ein Verlust des Geschlechtstriebes (Libido) und bei Männern Potenzstörungen.

Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf entsteht bei Hämochromatose Typ 1 zusätzlich ein Diabetes. So wie in der Leber vernarbt auch das Gewebe der Bauchspeicheldrüse immer mehr. Sie kann deshalb nicht mehr ausreichend Insulin bilden. Der dadurch erhöhte Blutzuckerspiegel verursacht Durst und eine stark vermehrte Urinmenge. Wegen der ebenso auftretenden Hautverfärbung spricht man vom "Bronzediabetes".

Komplikationen

Im Erkrankungsverlauf kann sich aus der Leberzirrhose ein Leberkarzinom entwickeln. Es entsteht bei etwa 30 % der Hämochromatose-Patient*innen und ist die häufigste Todesursache bei dieser Erkrankung.

Auch die Herzmuskelschädigung (Kardiomyopathie) kann unbehandelt schnell zum Tod führen.

Diagnosesicherung

Das macht der Arzt

Da sich die Beschwerden nur schleichend entwickeln, gehen die Betroffenen oft erst spät in die Arztpraxis. Dennoch hat sich das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung inzwischen so verbessert, dass die Diagnose heute oft rechtzeitig gestellt wird, also nicht erst, wenn die Organschädigungen schon recht weit fortgeschritten sind. Hatten früher Dreiviertel der Betroffenen bei der Diagnosestellung bereits eine Leberzirrhose, so werden Zirrhose und Diabetes heute viel seltener beobachtet. Gelenkschmerzen und chronische Müdigkeit sind heute der Hauptgrund für den Arztbesuch.

Die Diagnose einer Hämochromatose ist meistens durch verschiedene Blutuntersuchungen möglich. Im Blut werden zunächst verschiedene Eisenmarker bestimmt, z. B. das Ferritin (eine Speicherform des Eisens), das Transferrin (das Transportprotein für Eisen) und die Transferrinsättigung (der Anteil an mit Eisen beladenem Transportprotein). Sind diese Werte erhöht, schließen sich molekulargenetische Blutuntersuchungen an, bei denen die Genmutationen nachgewiesen werden. Eine Leberbiopsie ist dadurch nur noch selten nötig.

Differenzialdiagnose. Neben der erblichen Eisenspeicherkrankheit (primäre Siderose) gibt es auch andere Ursachen für eine übermäßige Eisenspeicherung im Körper, die sekundären Siderosen:

Bei bestimmten Formen der Blutarmut (Anämie) und bei Stammzellerkrankungen erhöht der Körper ebenfalls die Eisenaufnahme aus dem Darm. Zusätzlich führen dann auch die therapeutisch notwendigen Bluttransfusionen zu einer erhöhten Eisenzufuhr.

Auch bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen, allen voran bei einer Leberschädigung durch Alkoholmissbrauch, kommt es zu einer Eiseneinlagerung in der Leber.

Erhöhte Blutwerte von Ferritin treten außer bei einer Eisenüberladung auch bei Entzündungen im Körper auf, deshalb beurteilen Ärzt*innen diese Blutwerte immer nur im Zusammenhang mit den Beschwerden der Betroffenen.

Neben der erblichen Hämochromatose gibt es noch 2 weitere Erbkrankheiten, die zu einer übermäßigen Eisenspeicherung führen: Die kongenitale Hypotransferrinämie verursacht ebenfalls schleichend Gelenkschmerzen, Leberzirrhose und Herzschwäche. Bei der ebenfalls angeborenen Aceruloplasminämie wird das Eisen v. a. im Gehirn gespeichert und verursacht daher v. a. neurologische Symptome, aber auch Diabetes.

Eine sehr seltene und nicht erbliche Sonderform der Eisenspeicherkrankheit ist die neonatale Hämochromatose. Hierbei treten bereits 2 Tage nach der Geburt die ersten Anzeichen einer Leberschädigung auf. Die betroffenen Säuglinge benötigen schon innerhalb der ersten 3 Lebensmonate eine Lebertransplantation.

Behandlung

Die Hauptsäulen der Behandlung sind regelmäßige Aderlässe zur Entfernung des überschüssigen Eisens sowie eine eisenarme Kost. Die Häufigkeit und entnommene Blutmenge beim Aderlass werden individuell an die Blutwerte und das Wohlbefinden der Patient*innen angepasst. Reichen Diät und Aderlässe nicht aus oder besteht gleichzeitig eine Blutarmut (die einen Aderlass verbietet), werden Medikamente verordnet. Diese Medikamente binden das Eisen im Körper und verhindern die Organablagerungen. Sie haben aber auch starke Nebenwirkungen, weshalb sie nicht regulär bei allen Patient*innen eingesetzt werden.

Zusätzlich werden gezielt die einzelnen Beschwerden und Folgeerkrankungen behandelt. Beispielsweise werden Schmerzmittel gegen die Gelenkschmerzen verordnet, der Diabetes mit Insulin behandelt und Hormone wie Testosteron und Gonadotropin gegen die sexuellen Störungen verabreicht. Eine bereits fortgeschrittene Leberzirrhose erfordert in absehbarer Zeit eine Lebertransplantation.

Prognose

Wird die Erkrankung behandelt, bevor sich eine Leberzirrhose oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche) entwickelt hat, ist die Lebenserwartung normal, sofern die Behandlung konsequent fortgesetzt wird. Bei der Behandlung wird ein Zielwert für Ferritin angestrebt. Wird dieser erreicht, sind keine Organschäden zu befürchten.

Besteht bereits eine Leberzirrhose oder Herzschwäche, verschlechtert sich die Prognose. Die Leberzirrhose kann dann in ein Leberkarzinom übergehen, welches insgesamt die häufigste Todesursache bei Hämochromatose-Patient*innen ist.

Unbehandelt führt die Hämochromatose zum Tod. Häufigste Todesursachen sind dann Leber- oder Herzversagen.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Eisenarme Diät.

Nahrungsmittel mit einem hohen Eisengehalt sind v. a. Fleisch und Innereien wie Leber und Nieren sowie Quinoa, Amaranth und Pflanzensamen wie Sesam und Kürbiskerne. Diese Nahrungsmittel sollten nicht exzessiv verzehrt werden. Eine spezielle, sehr strenge Diät muss aber nicht eingehalten werden. Wie weit die Ernährung wirklich hilft, die Eisenwerte zu senken, ist bislang umstritten. Im Zweifel ist eine individuelle Ernährungsberatung durch qualifizierte Diätassistent*innen empfehlenswert.

Schwarztee.

Zusätzlich zur eisenarmen Diät sollten Betroffene Schwarzen Tee zu den Mahlzeiten trinken, weil dieser die Eisenaufnahme im Darm hemmt. Auch Kaffee und Milch können die Eisenaufnahme vermindern. Ebenso Rotwein, jedoch sollte auf Alkohol generell verzichtet werden, um die Leber zu entlasten.

Nahrungsergänzungsmittel.

Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin C sollten nicht eingenommen werden, da Vitamin C die Eisenaufnahme aus dem Darm fördert. Bei allen Nahrungsergänzungsmitteln ist zudem darauf zu achten, dass kein Eisen enthalten ist.

Komplementärmedizin

Besteht bereits eine Leberschädigung, können standardisierte Extrakte aus Mariendistelfrüchten helfen. Diese haben leberschützende Eigenschaften, die sich bei Patient*innen mit Leberschäden positiv auswirken können.

Prävention

Da die Hämochromatose angeboren ist, gibt es keine Vorbeugung. Wird die Erkrankung diagnostiziert, kann aber eine gesunde Ernährung und Lebensweise helfen, die Organe nicht zusätzlich zu schädigen. Wichtig ist z. B. der Verzicht auf Alkohol. Auch ein hoher Zuckerkonsum belastet sowohl die Leber als auch die Bauchspeicheldrüse und sollte daher möglichst vermieden werden.

Weiterführende Informationen

Internetseite der Hämochromatose-Vereinigung Deutschland e. V., Köln: Selbsthilfegruppe mit medizinischen Informationen und über 20 Kontaktstellen in ganz Deutschland.

Autor*innen

Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm | zuletzt geändert am um 14:42 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.