Menschen mit einer geistigen Behinderung haben ein hohes Risiko auch psychisch zu erkranken. Psychische Auffälligkeiten gelten bei ihnen jedoch oft als Folge der Behinderung und werden deshalb nicht ernst genommen. Darauf weist die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) hin.
An Fachmann wenden
Legen Menschen mit einer geistigen Behinderung ein auffälliges Verhalten an den Tag, sehen dies viele automatisch als Folge der Behinderung. Meist wird nicht ausreichend hinterfragt, ob es sich um die Anzeichen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung der Psyche handeln könnte, zum Beispiel einer Depression oder einer Angsterkrankung. „Psychische Störungen äußern sich bei Betroffenen oft mit vielgestaltigen Verhaltensauffälligkeiten, wie beispielsweise Hyperaktivität, Aggressionen gegen sich selbst oder andere, stereotypen Bewegungen oder Schlaf- und Essstörungen. Entsprechende Auffälligkeiten sollten jedoch nicht voreilig der geistigen Behinderung zugeschrieben werden, sondern professionell beurteilt werden“, empfiehlt Dr. med. Hans Kurt, Psychiater und Vorstandsmitglied der SGPP. „Hinzu kommt, dass diese Menschen oft ein beeinträchtigtes Sprachverständnis oder Ausdrucksvermögen haben und auch eine verminderte Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, was ein Aufdecken der Problematik und auch eine Diagnosestellung erschwert“, gibt Kurt zu bedenken.
Persönlichkeit stärken
Um die psychische Gesundheit von Menschen mit geistiger Behinderung zu wahren, rät die SGPP die Fähigkeiten der Betroffenen schrittweise zu fördern. Sinnvoll ist es, Betroffenen im Rahmen ihrer Behinderung und ihrer jeweiligen Persönlichkeit konkrete Verantwortung zu übergeben. Das stärkt die Persönlichkeit und beugt psychischen Leiden vor. Besonders wichtig sei es, auf die emotionalen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung einzugehen, damit Emotionen nicht in Form von Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressionen oder Selbstverletzung hervorbrechen. Nicht immer verbirgt sich hinter derartigem Verhalten eine psychische Erkrankung. „Häufig stecken hinter emotionalen Reaktionen Überforderung oder Unterforderung sowie Missverständnisse und daraus resultierende Konflikte mit der Umwelt“, erläutert Dr. Kurt. „ Dauerhafte psychosoziale Probleme können aber psychische Störungen auslösen oder diese verstärken. Sie müssen deshalb vorbeugend unbedingt anerkannt und gelöst werden“.