Spritzen sich Menschen mit Diabetes Typ 1 zu wenig Insulin, droht ihnen eine Ketoazidose. Wie hoch das Risiko speziell für Kinder und Jugendliche ist, erfasste eine international angelegte Studie der Universität Ulm.
Die Autoimmunkrankheit Diabetes Typ 1 zerstört die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. In Folge sind die Betroffenen ihr Leben lang darauf angewiesen, Insulin zu spritzen. „Wird zu wenig Insulin injiziert, kann der Körper die Energie aus Kohlenhydraten nicht mehr verwerten und stellt auf eine verstärkte Fettverbrennung und Proteinverwertung um,“ berichtet Prof. Reinhard Holl, Leiter des Zentralinstituts für Biomedizinische Technik (ZIBMT) an der Universität Ulm. Als Folge der verstärkten Proteinverwertung fallen im Blut saure Ketonkörper an, ein Zustand, den die Experten Ketoazidose nennen. Die gefährliche Stoffwechselentgleisung äußert sich in Form von Atembeschwerden, Übelkeit, Durst, häufigem Wasserlassen und Schwäche. Bleibt sie unbehandelt, drohen Hyperventilation, Ohnmachtsanfälle und lebensgefährliche Zustände.
Sind junge Menschen mit Diabetes Typ 1 anfällig für eine Ketoazidose?
Inwieweit speziell junge Typ 1 Diabetiker von der gefährlichen Stoffwechselentgleisung betroffen sind, untersuchten Wissenschaftler der Universität Ulm zusammen mit Kollegen aus Österreich, England, Wales und den USA. Insgesamt werteten die Forscher Daten von über 50.000 Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 aus. Die Informationen entnahmen sie verschiedenen anonymisierten Diabetesregistern.
Höheres Risiko als vermutet
Die Forscher kamen zu folgendem Ergebnis: Fünf bis sieben Prozent der untersuchten Kinder und Jugendlichen, die mehr als ein Jahr an Diabetes Typ 1 litten, hatten bereits eine Ketoazidose erlebt. „Die hohen Zahlen haben uns überrascht, denn Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen oder -injektoren arbeiten heute so genau, dass von der medizinischen Versorgungstechnik her eine optimale Therapie eigentlich gewährleistet sein könnte“, kommentiert Prof. Holl das Ergebnis.
Junge Mädchen und ethnische Minderheiten besonders betroffen
Bei jungen Mädchen liegt das Risiko für eine Ketoazidose um 23 Prozent höher als bei ihren männlichen Altersgenossen. „Wir gehen davon aus, dass vor allem die weiblichen Teenager absichtlich kein Insulin spritzen, um über die dadurch verstärkte Fettverbrennung Gewicht zu verlieren“, erklärt Prof. Justin T. Warner, Kinderarzt am Universitätsklinikum Cardiff in Wales. Bei jungen Diabetikern aus ethnischen Minderheiten war das Risiko um 27 Prozent erhöht. Noch steht eine Erklärung für dieses Phänomen aus. Allerdings hoffen die Forscher, bald mehr über die Hintergründe zu erfahren, um den Betroffenen besser helfen zu können.
Forscher fordern bessere medizinische Versorgung
Die Autoren der Studie plädieren für eine bessere Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Unter anderem fordern sie 24-Stunden-Notfall-Hotlines und schnell erreichbare Notfallzentren. Auch spezielle Präventionsprogramme für Risikogruppen wie junge Mädchen und ethnische Minderheiten stehen zur Diskussion.