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Diabetes mellitus

Diabetes [mellitus] („honigsüßer Durchfluss“, Zuckerkrankheit): Chronische Störung des Blutzuckerstoffwechsels mit eingeschränkter Aufnahme der Körperzellen von Zucker (Glukose) aus dem Blut, wodurch es zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels (Überzuckerung, Hyperglykämie) kommt.

Die Zahl der Diabetiker steigt weltweit stark an, in Deutschland sind derzeit ~ 7 % der Bevölkerung betroffen, knapp 90 % von ihnen leiden an Typ-2-Diabetes. Er ist eine schwere Erkrankung, da neben akuten Komplikationen viele Langzeitschäden wie Nerven-, Nieren- und Augenschäden, aber auch Herzinfarkt oder Schlaganfall drohen, die Lebenserwartung ist entsprechend verkürzt.

Neben den im Folgenden besprochenen primären Diabetes-Formen gibt es auch sekundäre Diabetes-Formen, bei denen der Diabetes Folge einer Schwangerschaft (Schwangerschaftsdiabetes), einer Erkrankung oder einer Langzeittherapie mit diabetogenen Medikamenten (Medikamente, die Diabetes auslösen können) ist, wie z. B. im Fall des Kortisons der Steroid-Diabetes. In aller Regel verschwindet der Diabetes wieder, wenn die zugrunde liegende Erkrankung behandelt oder das Medikament abgesetzt wird (falls dies möglich ist) – bzw. nach der Schwangerschaft. Eine beschwerdefreie (latente) Glukosetoleranzstörung bleibt aber bei allen sekundären Diabetes-Formen bestehen, so dass z. B. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes ein Risiko von ~ 45 % haben, zehn Jahre nach der Entbindung an einem manifesten Diabetes zu erkranken. Falls eine Langzeittherapie z. B. mit Kortison unumgänglich ist, werden die Beschwerden des Steroid-Diabetes wie die des Typ-2-Diabetes behandelt.

Typ-1-Diabetes (juveniler Diabetes mellitus, Insulin-abhängiger Diabetes, IDDM): Autoimmunerkrankung, bei der es infolge einer Fehlsteuerung des Immunsystems zu einer meist rasch fortschreitenden Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse kommt. Dadurch ist die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage, Insulin zu produzieren (absoluter Insulinmangel), was einen stark erhöhten Blutzuckerspiegel zur Folge hat. Um das fehlende körpereigene Insulin zu ersetzen, müssen Typ-1-Diabetiker lebenslang Insulin spritzen (Insulinabhängigkeit). Die Erkrankung beginnt vor dem 40. Lebensjahr, meist schon im Kindes- und Jugendalter. Auslöser ist häufig eine Stresssituation wie z. B. eine schwere Infektion oder Operation. Die Veranlagung zum Typ-1-Diabetes ist erblich bedingt, die entsprechenden Gene sind bereits identifiziert.

Typ-1-Diabetes ist nicht heilbar, aber nach intensiver Schulung und unter regelmäßigen Selbstkontrollen kann ein weitgehend normales Leben geführt werden; Spätschäden am Gefäßsystem lassen sich nur hinausschieben, nicht aber verhindern. Haupttodesursache sind Nierenschäden durch chronisches Nierenversagen.

Typ-2-Diabetes (Erwachsenen-, Altersdiabetes, nicht-Insulin-abhängiger Diabetes, NIDDM): Verminderte Insulinempfindlichkeit, also Insulinresistenz des Körpers in Kombination mit einer eingeschränkten bzw. zeitlich verzögerten Insulinproduktion, wodurch es zu einem relativen Insulinmangel kommt. Dieser realtive Insulinmangel geht langfristig in einen absoluten, d.h. vollständigen Insulinmangel über mit entsprechender Insulinabhängigkeit (der Notwendigkeit also, Insulin zu spritzen). Ursächlich für den Typ-2-Diabetes ist ein Zusammenspiel von erblichen Veranlagungen und ungünstigen Umweltfaktoren, die ein viel größeres Gewicht haben als beim Typ-1-Diabetes. Unter ihnen sind Übergewicht und Bewegungsmangel die wichtigsten und nach Einschätzung der Wissenschaft zu 90 % verantwortlich für die Entstehung des Typ-2-Diabetes.

Auch der Typ-2-Diabetes ist nicht heilbar, auftretende Spätschäden können aber hinauszögert werden. Früher trat Typ-2-Diabetes fast ausschließlich bei über 50-Jährigen auf. Heutzutage bilden die Älteren weiterhin den Hauptanteil der Betroffenen (fast 20 % der über 70-Jährigen sind Typ-2-Diabetiker). Jedoch erkranken auch zunehmend jüngere Menschen und selbst Kinder aufgrund von Überernährung und Bewegungsmangel.

Eine aktuelle Studie legt nahe, dass auch einige Mutationen des so genannten MT-Gens, die sich auf das Hormon Melatonin auswirken, das Diabetes-Risiko erhöht. Melatonin wird vom Körper bei Dunkelheit freigesetzt und steuert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Gleichfalls reguliert es das Insulin in unserem Körper. Jene Mutationen verhindern, dass das Melatonin an die Zellen binden und zur Insulinregulation beitragen kann. MT2-Mutation sind zwar selten, sollten aber trotzdem nicht ausgeschlossen werden.

Leitbeschwerden

Typ-1-Diabetes.

  • Großer Durst verbunden mit häufigen Toilettengängen
  • Sehstörungen, Trockenheit von Haut und Zunge
  • Wachstumsstörung und Bettnässen bei Kindern
  • Gewichtsverlust
  • Abgeschlagenheit
  • Druckgefühl im Kopf

Typ-2-Diabetes.

Lange Zeit beschwerdefrei, allenfalls Allgemeinbeschwerden wie

Stoffwechselentgleisung. Bei Stoffwechselentgleisung (Typ-1- und Typ-2-Diabetes gleichermaßen):

  • Bei völlig überhöhtem Blutzuckerspiegel: Übelkeit und Bauchschmerzen, Bewusstseinsstörungen oft mit obstartigem Azetongeruch der Atmung.
  • Bei stark erniedrigtem Blutzuckerspiegel, z.B. durch überdosierte Einnahme blutzuckersenkender Medikamente: Heißhunger, v.a. nach Zucker, Unruhe, Kaltschweißigkeit und schneller Herzschlag.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen bei den genannten Beschwerden

Sofort bei Teilnahmslosigkeit (Apathie), Schläfrigkeit oder anderen Zeichen der Stoffwechselentgleisung.

Die Erkrankung

Blutzucker und Glukose. Glukose ([Trauben-]Zucker) ist unsere Hauptenergiequelle und wird hauptsächlich durch die Verdauung von Kohlenhydraten aus der Nahrung gewonnen. Handelt es sich um die kleinste Einheit der Kohlenhydrate, also um Glukosemoleküle, die vom Blut transportiert und z. B. für Stoffwechselvorgänge benötigt werden, so spricht man von Blutzucker.

Über das Blut wird Glukose in Form von Blutzucker zu allen Körperzellen transportiert, um sie mit der notwendigen Energie zu versorgen. Steht mehr Blutzucker zur Verfügung als von den Zellen benötigt wird, wird der überschüssige Blutzucker in Form von Glukose vor allem in der Leber (Glykogen) und im Fettgewebe als Energiereserve gespeichert. Bei Bedarf wird der Vorrat dann wieder gleichmäßig ins Blut abgegeben.

Insulin. Damit Blutzucker ins Zellinnere gelangen kann, bedarf es einer Art „Schleusenwärter“. Dies ist das Stoffwechselhormon Insulin, das den Übertritt des Blutzuckers von der Blutbahn ins Zellinnere ermöglicht. Zugleich hemmt Insulin den Abbau der Glukosespeicher in der Leber. Durch beide Effekte sinkt der Zuckerspiegel im Blut.

Insulin wird von den Betazellen (B-Zellen, ß-Zellen) gebildet, Zellgruppen innerhalb der Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse (Aufbau der Bauchspeicheldrüse). Ausgelöst wird die Insulinausschüttung durch ein Überangebot an Blutzucker (Glukose im Blut), – ein Vorgang, der regelmäßig 30 Minuten nach einer Mahlzeit einsetzt, besonders wenn Kohlenhydrate wie Rohr-, Trauben- und/oder Malzzucker (bestehen alle aus Zuckermolekülen, also Glukose) gegessen wurden.

Funktioniert die Rückkopplung zwischen Insulinausschüttung und Blutzuckerangebot reibungslos, schwankt die Menge an Blutzucker (Glukose im Blut) nur sehr gering. Falls die Betazellen nicht mehr genügend oder gar kein Insulin produzieren, oder wenn das ausgeschüttete Insulin unzureichend wirkt, steigt der Blutzuckerspiegel (Überzuckerung). Gleichzeitig fehlt dann aber die Glukose als Energielieferant in den Körperzellen.

Grenzwerte des Blutzuckerspiegels (alle Angaben in mg/dl): Unterhalb eines Werts von 60 liegt eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) vor, oberhalb von 140 spricht man von Überzuckerung (Hyperglykämie). Ab einer Blutzuckerkonzentration von 180 ist die Nierenschwelle überschritten, das heißt die Niere schafft es nicht mehr, den in den Urin abgegebenen Zucker (Glukose) aufzunehmen und ins Blut zurückzuführen. Folglich findet man Glukose im Urin (Glukosurie). Die Glukosurie wird durch einen einfachen Test mit Urin-Teststreifennachgewiesen.
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Effekte der Überzuckerung. Bleibt der Blutzuckerspiegel deutlich erhöht (> 180 mg/dl) schafft es die Niere nicht mehr, den Zucker (Glukose) aus dem Primärharn wieder ins Blut zurückzuführen. Die Folge ist eine Glukoseausscheidung mit dem Urin (Glukosurie), die auch eine vermehrte Urinmenge (Polyurie) nach sich zieht. Obwohl die Betroffenen sehr viel trinken (Polydipsie, krankhaft gesteigerter Durst), um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, kommt es zu typischen Austrocknungserscheinungen (Exsikkose) wie faltiger, kalter, trockener Haut und einer rauen, trockenen Zunge. Auch drohen Sehstörungen infolge des Flüssigkeitsverlusts in Augenlinse und Augapfel. Irgendwann schränkt dann auch das Gehirn seinen Dienst ein – und lebensbedrohliche Bewusstseinstrübungen bis hin zum diabetischen Koma sind die Folge.

Viel dramatischer als die kurzfristigen sind jedoch die langfristigen Effekte eines erhöhten Blutzuckerspiegels: Diabetes beschleunigt wie ein Turbolader alle Prozesse der Arteriosklerose mit schwerwiegenden Konsequenzen wie Sehstörungen, Erblindung, Nierenversagen. Diese Schäden drohen allen Diabetikern – besonders gefährdet sind Diabetiker, deren Blutzuckerspiegel schlecht eingestellt ist, die an anderen Stoffwechselerkrankungen leiden oder rauchen. Außerdem erhöht die Erkrankung nachweislich das Risiko mehrerer Krebserkrankungen – am meisten steigt das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs und Leberzellkrebs.

Absoluter Insulinmangel bei Typ-1-Diabetes. Beim Typ-1-Diabetes liegt eine Zerstörung der Insulin produzierenden Betazellen vor, die rasch zu einem absoluten Insulinmangel führt. Ursache ist eine Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem Antikörper gegen die fälschlicherweise als „Fremdkörper“ erkannten Betazellen bildet. Warum sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet, ist bislang nicht endgültig geklärt. Höchstwahrscheinlich lösen Umweltfaktoren und hier vermutlich Virusinfektionen – auf Basis einer erblichen Veranlagung – die Erkrankung aus. Wie schnell die Zerstörung der Betazellen das vollständige Erliegen der Insulinproduktion nach sich zieht, ist von Patient zu Patient verschieden: Im Allgemeinen besteht zunächst noch eine Restfunktion, über kurz oder lang gehen jedoch alle Betazellen zugrunde, und das körpereigene Insulin muss lebenslang durch von außen zugeführtes Insulin ersetzt werden. Ein erniedrigter Insulinwert im Stimulationstest (oGTT) kann bereits vor dem Ausbruch eines Typ-1-Diabetes einen Typ-1-Prädiabetes anzeigen. Mittlerweile lassen sich auch Risikogruppen anhand einer genetischen Untersuchung an Neugeborenen ausfindig machen.

Relativer Insulinmangel bei Typ-2-Diabetes. Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes ist beim Typ-2-Diabetes die Insulinresistenz von Muskulatur, Fettgewebe und Leber der Ausgangspunkt – alle diese Körperstrukturen reagieren nicht mehr empfindlich genug auf Insulin und können dadurch das Blutzuckerangebot nicht mehr ausreichend nutzen (gestörte Glukosetoleranz, Glukosetoleranzstörung, Glukoseintoleranz, IGT). In der Folge wird der Zucker (Glukose) nicht mehr aus dem Blut in die Zellen transportiert und dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel erhöht.

Zusätzlich zur Insulinresistenz besteht eine Störung der Insulinfreisetzung – sie erfolgt vor allem nach einer Mahlzeit zeitlich verzögert – was die Blutzuckerkonzentration weiter erhöht. Zunächst gelingt es dem Organismus, den Blutzuckerspiegel durch eine erhöhte Produktion von Insulin (Hyperinsulinämie) weitgehend normal zu halten. Ist der Insulinspiegel aber dauernd hoch und wird der Zelle ständig zu viel Glukose angeboten, „erlahmen“ die Insulinrezeptoren (Strukturen der Zelle, an die die Insulinmoleküle andocken), wodurch sich die Insulinresistenz verstärkt; ebenso "erlahmen"  die Betazellen, wodurch die Insulinproduktion sinkt.

Es entsteht ein relativer Insulinmangel und der Blutzuckerspiegel ist nun dauerhaft erhöht – der Typ-2-Diabetes macht sich bemerkbar. Aus diesem relativen Insulinmangel entsteht mit der Zeit ein absoluter Insulinmangel.

Dieser Prozess vollzieht sich schleichend über Jahre, ohne dass die Betroffenen etwas bemerken. So erklärt es sich, dass die Diagnose Typ-2-Diabetes meistens im Rahmen einer ärztlichen Vorsorge- oder Blutuntersuchung entdeckt wird.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung

Zur Abklärung eines fraglichen Diabetes dient dem Arzt neben einer körperlichen Untersuchung der morgendliche Nüchternblutzucker, ermittelt aus dem Blut der Fingerkuppe (kapillares Vollblut) oder einer Armvene (Grenzwerte).

Während der Nüchternblutzucker beim Typ-1-Diabetiker meist deutlich erhöht und die Diagnose deshalb rasch möglich ist, kann er beim Typ-2-Patienten noch annähernd im Normbereich liegen, und auch eine Wiederholung des Tests keine Klarheit bringen.

Anschließend folgen weitere Untersuchungen zur Abklärung: Im Krankenhaus wird ein Blutzucker-Tagesprofil (BZ-Tagesprofil) erstellt, für das der Blutzucker nüchtern, kurz vor und zwei Stunden nach jeder Mahlzeit ermittelt wird. Der nach dem Essen gemessene postprandiale Blutzuckerwert (postprandial = nach einer Mahlzeit) ist bei einem manifestierten Typ-2-Diabetes infolge der gestörten Insulinausschüttung praktisch immer erhöht.

Auch in der ambulanten Praxis durchführbar ist der orale Glukosetoleranztest (oGTT, [Blut]Zuckerbelastungstest). Er weist sicher nach, ob ein Diabetes und/oder eine gestörte Glukosetoleranz – oft eine Vorstufe des Diabetes – besteht. Hierfür wird nach 12-stündigem Nahrungsverzicht morgens zunächst der Nüchternblutzucker bestimmt und danach eine Zuckerlösung aus Glukose und Wasser getrunken. Nach zwei Stunden bestimmt der Arzt erneut die Blutzuckerkonzentration (Werte).

Um Typ-1- von Typ-2-Diabetes zu unterscheiden, misst der Arzt ergänzend die Konzentration von C-Peptid, einem Einweißbruchstück, das bei der Insulinbildung abgespalten wird. (Bei Typ-1-Diabetes ist der C-Peptid-Spiegel infolge des Insulinmangels erniedrigt, bei Typ-2-Diabetes ist er dagegen aufgrund der gesteigerten Insulinproduktion meist erhöht.)

Beim Typ-1-Diabetes lassen sich zudem im Blut oft Autoantikörper als Zeichen des Autoimmunprozesses nachweisen, sowohl gegen Bestandteile der Inselzellen (GADA, ICA, IA-2) als auch gegen Insulin (Insulinautoantikörper, IAA).

In Bayern besteht seit 2014 ein Screening-Programm für Diabetes Typ 1. Dazu werden Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren durch die Haus- oder Kinderärzte auf Inselautoantikörper im Blut untersucht, wodurch ein Typ-1-Diabetes vorausgesagt werden. Bei Erfolg ist ein bundesweites Screeningprogramm geplant.

Die früher übliche Messung des Zuckergehalts im Urin wird im Rahmen der Erstdiagnostik nicht mehr empfohlen, sie ist zu ungenau.

Labordiagnostik für die Langzeitbetreuung des Diabetikers. Nach der Messung des HbA1c (glykosyliertes Hämoglobin, Glykohämoglobin) stellt der Arzt fest, ob die Diabeteseinstellung, also die Dosis des verabreichten Insulins ausreichend ist. Dieser Wert repräsentiert die Stoffwechseleinstellung innerhalb der letzten 8 – 10 Wochen und wird deshalb als „Blutzuckergedächtnis“ bezeichnet. Gemessen wird, wie viel Prozent des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin (Hb) sich mit dem Blutzucker verbunden haben – je höher die Blutzuckerwerte, desto höher auch die „Verzuckerung“ des Hämoglobins.

Es wird empfohlen, das HbA1c vierteljährlich, bei stark schwankenden Blutzuckerwerten auch alle zwei Monate bestimmen zu lassen. Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) empfehlen Ärzten, den HbA1c-Wert künftig zur Diagnose eines Diabetes mellitus bei Risikopatienten einzusetzen – an Stelle der bisher üblichen Bestimmung des Nüchternblutzuckers. Der Vorteil dabei: Eine einmalige HbA1c-Bestimmung reicht für die Diagnose aus. Zudem unterliegt der HbA1c-Wert keinen tageszeitlichen Schankungen und bleibt stabil, auch wenn die Patienten vorher etwas gegessen haben. Der HbA1c-Wert erlaubt auch, den Diabetes-Typ zu bestimmen. Das heißt, bei einem Wert über 6,5 Prozent liegt ein Typ-2-Diabetes vor und bei einem Wert unter 5,7 ein Typ-1-Diabetes. Bei einem Wert zwischen 5,7 und 6,5 Prozent plädieren die Experten weiterhin für die Nüchternblutzucker-Bestimmung. Auch weisen sie darauf hin, dass sich der HbA1c-Wert nicht zur Diabetes-Diagnose eignet bei Patienten mit Eisenmangel, Nieren- oder Lebererkrankungen oder während der Schwangerschaft.

Beim Fruktosamin-Test wird der Gehalt an Eiweißen ermittelt, vor allem an Albumin, an den Blutzuckermoleküle gelagert sind. Er erlaubt eine Aussage über die Blutzuckereinstellung der letzten zwei Wochen. Der Test ist gegenüber der HbA1c-Bestimmung aber weniger zuverlässig und daher vernachlässigbar.

Therapie

Übersicht. Ziel der Diabetesbehandlung ist eine möglichst normale Blutzuckereinstellung, um Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit wiederherzustellen sowie Langzeitschäden vorzubeugen. Während dies beim Typ-1-Diabetes neben einer angemessenen Ernährung ein lebenslanges Spritzen von Insulin bedeutet, ist dies beim Typ-2-Diabetes nur nötig, wenn die Betazellen selbst nicht mehr ausreichend Insulin produzieren. Basis jeder Typ-2-Diabetestherapie bildet daher eine diabetesgerechte Ernährung, regelmäßige Bewegung und der Abbau von Übergewicht.

Grundbausteine der Diabetestherapie. Sowohl beim Typ-1- als auch beim Typ-2-Diabetes spielt die diabetesgerechte Ernährung eine entscheidende Rolle.
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Behandlung des Typ-1-Diabetes. Bei einem Typ-1-Diabetes ist immer eine Insulintherapie erforderlich. Wenn möglich, wird auf eine intensivierte Insulintherapie gesetzt: Zum einen erlaubt sie ein hohes Maß an Flexibilität, was den zeitlichen Ablauf, die Anzahl der Mahlzeiten und die Bestimmung der Kohlenhydratmengen betrifft. Zum anderen verringert sich durch die ICT das Risiko diabetesbedingter Spätschäden, denn die häufigen Blutzuckermessungen und die stets den aktuellen Gegebenheiten angepassten Insulindosen ermöglichen es, gegebene Blutzuckerschwankungen zeitnah zu korrigieren.

Sekundärprävention. Neu ist die Möglichkeit, den Rückgang der körpereigenen Insulinproduktion in einer frühen Krankheitsphase durch Immuntherapie zu bremsen. Derzeit werden drei Ansätze erforscht:

  • Antientzündlicher Ansatz, um die Entzündungen in der Bauchspeicheldrüse zu stoppen, sodass die Zerstörung der Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse aufgehalten wird.
  • Immunzell-gerichteter Ansatz, um die zerstörerischen Immunzellen anzugreifen. Erprobt wird hier der Einsatz von Anti-CD3-Antikörpern und Anti-CD20-Antikörpern. Eine Studie ergab: Patienten, die an sechs aufeinanderfolgenden Tagen des CD3-Antikörper „ChAgly“ verabreicht bekommen, produzieren auch nach mehreren Jahren noch mehr Insulin als unbehandelte Patienten.
  • Antigenspezifischer Ansatz: Impfung, mit dem Ziel, die Immuntoleranz gegenüber körpereigenen Antigenen wieder herzustellen. Impfstoffe befinden sich derzeit in der Entwicklung.

Noch weiter geht der Ansatz, Patienten mit sehr hohem Risiko für Typ-1-Diabetes Insulin als Nasenspray vor Ausbruch der Erkrankung zu verabreichen. Diese sog. antigenbasierte Immuntherapie wird derzeit in der INIT-Studie erprobt. Sie soll die Manifestation der Stoffwechselerkrankung verhindern oder zumindest verzögern Die Vorstellung dabei ist, so eines Tages besonders diabetesgefährdete Kinder und Jugendliche primär vor Diabetes schützen zu können.

Behandlung des Typ-2-Diabetes. Die moderne Diabetestherapie hat einen ganzheitlichen Ansatz: Heute sind neben dem Erkrankungsstadium Alter und Körpergewicht des Betroffenen ebenso wichtig wie Risikofaktoren und Vorerkrankungen. Die europäischen Leitlinien empfehlen eine zielwertorientierte Therapie entsprechend dem Risikoprofil. Es ist wichtig zu wissen, dass es Risikofaktoren gibt, die wir nicht beeinflussen können (Alter, ethnische Herkunft, genetische Veranlagung, Begleiterkrankungen), aber es gibt auch Risikofaktoren, auf die wir Einfluss nehmen und damit einen wesentlichen Beitrag für eine gelingende Therapie leisten können: 

  • Bei knapp 20 % der Typ-2-Diabetiker normalisiert sich der Stoffwechsel allein durch eine konsequente Änderung des Lebensstils, so dass der Diabetes nicht mehr nachweisbar ist. Wichtigste Maßnahmen sind Abnehmen, eine langfristig angepasste Ernährung sowie regelmäßige Bewegung. Studien haben dabei ergeben, dass eine Diät auf Basis der Mittelmeerkost wirksamer ist als eine nur auf Gewichtsreduktion ausgerichtete Kost. Dennoch führt eine langfristige Gewichtsreduktion von fünf bis sieben Prozent zu einem signifikant verminderten Diabetesrisiko und wird daher empfohlen. Moderate Lebensstilveränderungen wie gesunde Ernährung, Steigerung der körperlichen Aktivität sowie Gewichtsreduktion kann vor allem bei Hochrisikopatienten den Diabetes mellitus verhindern bzw. der Krankheitsbeginn hinausgezögern. Die Gewichtsreduktion ist ein wesentlicher Baustein in der Prävention des Diabetes mellitus.
  • Auch Nüsse essen wirkt sich positiv auf den Blutzuckerspiegel aus. Wie eine Studie belegt, senkt eine tägliche Portion von 75 Gramm Nüssen den HbA1c-Wert von Diabetikern – vorausgesetzt sie lassen andere Kalorien dafür weg. Ideal sind etwa Wal-, Peka- und Macadamianüsse, Mandeln, Pistazien und Cashews.
  • Reichen diese Maßnahmen nicht (mehr) aus, ist eine medikamentöse  Blutzuckersenkung notwendig.
  • Wird eine zufriedenstellende Blutzuckereinstellung auch so nicht erreicht bzw. lässt die körpereigene Insulinproduktion weiter nach, ist eine Insulintherapie notwendig.
  • Um das Spritzen zu vermeiden, werden derzeit inhalierbare Insuline erprobt (z.B. Afrezza®), die zu den Mahlzeiten inhaliert werden. Der blutzuckersenkende Effekt setzt nach 15 Minuten ein und hält bis zu drei Stunden an. Typ-1-Diabetiker müssen sich aber weiterhin zusätzlich einmal täglich langwirksames Insulin spritzen. Zur klinischen Relevanz kann noch keine Aussage getroffen werden.
  • Bei Diabetikern über 70 Jahren sowie bei begrenzter Lebenserwartung wird oft auf eine intensive und dadurch manchmal gefährliche Behandlung verzichtet und die Therapie konzentriert sich darauf, sowohl der Gefahr schwerer Über- als auch der Gefahr von Unterzuckerungen vorzubeugen.
  • Die medikamentöse Therapie zur Blutzuckersenkung erfordert – ebenso wie die Insulintherapie – regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrollen.
  • Studien zufolge erhöht der Wirkstoff Pioglitazon (z. B. Actos®) das Risiko für Harnblasenkrebs. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät Ärzten davon ab, neuen Patienten pioglitazonhaltige Medikamente zu verschreiben. Diabetiker, die solche Präparate bereits einnehmen, sollten erst mit ihrem Arzt sprechen, bevor sie das Medikament absetzen.
  • Um Diabetes-Folgeschäden zu vermeiden: In zahlreichen Studien ist der Zusammenhang zwischen LDL-Hypercholesterinämien und Atherosklerose belegt, so dass die Einstellung des Lipidstoffwechsels eine zentrale Rolle bei der Vorbeugung von Herzkranzgefäßverkalkung mit nachfolgendem Herzinfarkt ist.

Sondertext: Blutzuckersenkende Medikamente (Orale Antidiabetika und Insuline)

Sondertext: Blutzuckerselbstkontrolle - das A und O der Diabetestherapie

Therapie-Regimes.

Bei der konventionellen Insulintherapie wird täglich zweimal Insulin gespritzt, und zwar eine feste Dosis eines individuell angepassten Mischinsulins, immer zur gleichen Zeit und immer eine halbe Stunde vor dem Essen. Zudem dürfen Menge und Kohlenhydratgehalt einer Mahlzeit nur wenig schwanken. Diese Therapieform eignet sich vor allem für ältere Menschen, die nicht mehr im Beruf stehen und sich an einen festen Tagesablauf halten können.

Für einen unregelmäßigen Lebensrhythmus eignet sich hingegen die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), sie setzt aber Eigenverantwortung und Schulung voraus. Vor jeder Mahlzeit muss der Blutzucker gemessen und die benötigte Insulinmenge für die jeweils aktuelle Stoffwechsellage berechnet und gespritzt werden. Zusätzlich wird der Grundbedarf mit 1(–2) täglichen Injektionen eines lang wirksamen Verzögerungsinsulins gedeckt. So kann viel oder wenig gegessen, eine Zwischenmahlzeit eingeschoben oder eine Mahlzeit ausgelassen werden – ganz so, wie es der Tagesablauf erfordert. Bei richtiger Durchführung ist auch die Blutzuckerführung besser als bei der konventionellen Insulintherapie, der Blutzucker schwankt also weniger.

Oben: Konventionelle Insulintherapie: Zwei mal täglich – vor dem Frühstück und vor der Abendmahlzeit – wird ein mittellang wirksames Mischinsulin (rote und gelbe Kurve) gespritzt. Unten: Beispiel für eine intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT): Die Basisversorgung mit Insulin erfolgt mit einer Injektion eines langwirksamen Verzögerungsinsulin vor dem Zubettgehen, zusätzlich wird vor jeder Mahlzeit der aktuelle Blutzucker gemessen und eine entsprechende Menge kurzwirksames Normalinsulin (rote Kurve) gespritzt.
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Richtig angewandt ist die ICT der konventionellen Insulintherapie überlegen, denn der Insulinbedarf des Körpers kann ganz erheblich schwanken: Er steigt zum Beispiel bei Infektionen, aber auch im Urlaub, manchmal sinkt er aber auch aus scheinbar unerklärlichen Gründen – meist kurz nach Einführung der Insulintherapie: Dann scheinen sich die Betazellen nach den ersten Gaben von Insulin vorübergehend zu erholen. Sie schütten wieder vermehrt Insulin aus, so dass sich die Blutzuckerwerte zunächst auch ohne weitere äußere Zufuhr von Insulin normalisieren. Diese Honeymoon-Phase (Remissionsphase) ist jedoch innerhalb weniger Wochen bis Monate vorbei.

Wenn der Körper selbst noch eine gewisse Menge an Insulin produziert, kann es zunächst ausreichen, wenn nur zu den Mahlzeiten ergänzend ein Normalinsulin gespritzt wird. Häufig werden in der so genannten Kombinationstherapie Insulin und blutzuckersenkende Tabletten miteinander kombiniert, oft als Einstieg in eine lebenslange Insulintherapie.

Seit einigen Jahren ist ein neues Glukose-Mess-System auf den Markt: die kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM). Im Oberarm oder Bauch wird ein 5 mm langer Sensor in die Haut eingeführt und dort fixiert. Dieser misst alle 5 Minuten die Blutzuckerkonzentration in der Zwischenzellflüssigkeit des Unterhautfettgewebes – nicht den Blutzucker wie konventionelle Messgeräte es tun. Ein Sender übermittelt die Werte und daraus ableitbare Trends an eine kleine, tragbare Mess-Station, wo der Patient sie abliest. Alternativ kann der Patient den Sensor mit einem handlichen Scanner auslesen. Alle sieben Tage wird der Sensor vom Patienten gewechselt. Seit 2016 dürfen rtCGM zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verschrieben werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
  • Behandlung mit intensivierter Insulintherapie
  • Individuelles Therapieziel mit herkömmlichen Messgeräten nicht erreichbar
  • Erfüllung qualitätssichernder Maßnahmen: Verordnung vom Facharzt, Gutachten eines Facharztes über die medizinische Notwendigkeit, zeitnahe Schulung zur Handhabung des rtCGM-Systems, Festlegung und Überprüfung des individuellen Therapieziels unter Nutzung des rtCGM-Systems durch Arzt und Patient, rtCGM-System besitzt Zulassung als Medizinprodukt, Nutzung der Messwerte ohne Zugriff Dritter (etwa der Hersteller) möglich

rtCGM-Systeme können die konventionelle Blutzuckermessung jedoch nicht vollständig ersetzen. Dafür gibt es zwei Gründe:

  • Der Zuckerwert in der Zwischenzellflüssigkeit des Unterhautfettgewebes hinkt dem Zuckerwert im Blut um 5–20 Minuten hinterher.
  • Jeder neue Sensor muss mithilfe einer konventionellen Blutzuckermessung kalibriert werden.

Eine kontinuierliche subkutane Insulininfusion von Normal- oder Analoginsulin per Insulinpumpe (CSII, continous subcutaneous insulin infusion) kommt infrage, wenn mit der Injektionstherapie keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden, aber auch bei Schwangerschaft, rasch fortschreitenden Folgeerkrankungen (z. B. stark schmerzhafte diabetische Neuropathien) und anderen Situationen, die eine genaue Stoffwechseleinstellung erfordern. Dabei wird eine für mehrere Tage liegenbleibende Nadel ins Unterhautfettgewebe des Bauches gestochen und fixiert, über die das Insulin automatisiert abgegeben wird. Die Patienten können aber trotzdem auf besondere Bedarfe reagieren und die Insulinabgabe von Hand an der Pumpe einstellen.

Praxis der Insulingabe. Insulin muss immer gespritzt werden. Dies geschieht am besten subkutan, also unter die Haut ins Fettgewebe, z. B. von Bauch oder Oberschenkel, von wo aus das Insulin langsam in den Blutkreislauf gelangt. In den Bauch gespritztes Insulin wird etwas schneller aufgenommen. Wichtig ist, dass die Einspritzstellen nach einem bestimmten Schema immer gewechselt werden, um Schädigungen am Unterhautfettgewebe zu vermeiden. Bei jeder Inkjektion ist mindestens 2 cm Abstand zur letzten Einsichtstelle zu wahren. Durch Wärme, z. B. ein Bad in warmem Wasser, aber auch durch körperliche Anstrengung oder das Reiben der Einspritzstelle tritt die Insulinwirkung rascher ein. Lösungen mit Verzögerungsinsulin müssen vor dem Spritzen durchmischt werden.

Inzwischen haben sich so genannte Insulin-Pens durchgesetzt, denn sie sind einfach zu handhaben und dosieren sehr exakt. Daneben sind auch Insulin-Fertigspritzen mit einer voreingestellten Insulinmenge verfügbar, derzeit werden auch Insulin-Nasensprays erprobt.

Frische Insulinflaschen lagert man bei 2–8 °C im Kühlschrank, angebrochene sollten lichtgeschützt bei Raumtemperatur (25-30 °C) aufbewahrt werden. Sie sind nach Anbruch je nach Präparat vier bis sechs Wochen haltbar. Hitze und Gefrieren (unter 2 °C) führen zu einem Wirkungsverlust des Insulins. Für Urlaubsreisen sind in den Apotheken wärmeisolierte Taschen für Insulin-Pens erhältlich. Allgemein darf Insulin, das in Farbe oder Beschaffenheit (z. B. Schlierenbildung) verändert ist, nicht mehr verwendet werden. 2006 wurde in Deutschland für kurze Zeit ein inhalierbares Insulin (Exubera®) vertrieben. Da es zugelassen war und ein mögliches Lungenkrebsrisiko im Raum stand, wurde es kaum verordnet und die Herstellung wieder eingestellt.

Prognose

Die Prognose bei Diabetes hängt generell davon ab, wie gut es gelingt, den Blutzuckerspiegel dauerhaft in möglichst normale Bahnen zu lenken, um so Spätschäden möglichst lange hinauszuzögern. Entsprechend wichtig ist die Mitarbeit des Patienten, denn sie beeinflusst maßgeblich den weiteren Verlauf seiner Erkrankung.

Für den Typ-1-Diabetes ist die Prognose abhängig vom Alter, in dem die Erkrankung auftritt: Ist der Patient ~ 10 Jahre alt, kann dies eine Lebensverkürzung von durchschnittlich ~ 15 Jahren bedeuten, wobei die Haupttodesursache chronische Nierenschädigungen sind.

Der Verlauf des Typ-2-Diabetes ist hauptsächlich bestimmt von den Folgen der Gefäßschäden: ~ 75 % der Patienten sterben an Gefäßkomplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Jedoch verbessert sich die Prognose entscheidend, wenn der Patient sein eventuelles Übergewicht durch eine angepasste Ernährung und körperliches Training abbaut. Typ-2-Diabetiker haben außerdem ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Kommt es im Verlauf der Krankheit einmal zu einer akuten Unterzuckerung, steigt das Demenzrisiko um 26 %, nach zwei solchen Ereignissen sogar um 80 %.

Ihre Apotheke empfiehlt

Aller Anfang ist schwer.

Wenn die Diagnose Diabetes gestellt wurde, bedeutet dies eine enorme Umstellung. Anfangs stehen die Befürchtungen im Vordergrund, vor allem mit dem Spritzen nicht zurecht zu kommen. Es ist zunächst nicht einfach, sich selbst zu spritzen, aber mit der richtigen Technik tut es kaum weh. Im Allgemeinen wird der Einstich sogar weniger gespürt als der bei der Blutzucker-Selbstkontrolle. Immerhin beherrschen die meisten Patienten nach ein paar Monaten das Spritzen besser als ihre Ärzte. Aber: Das Insulinspritzen, das Berechnen der Dosierungen und das richtige Einschätzen der Möglichkeiten und Grenzen der Insulinbehandlung – all dies will gelernt sein. Deshalb ist eine Schulung durch Fachpersonal unerlässlich.

Diabetesschulung – Hilfe zur Selbsthilfe.

Eine erfolgreiche Diabetestherapie basiert auf einer umfassenden Schulung, die Ihnen hilft, Ihr Leben trotz Diabetes aktiv und selbstverantwortlich zu gestalten. Ärzte, Ernährungsberater, Fußpfleger und Physiotherapeuten bringen Ihnen bei, wie Sie Blutzucker richtig messen und Insulin spritzen, worauf Sie bei der Medikamenteneinnahme achten müssen, was bei Komplikationen wie Unter- und Überzuckerung zu tun ist, welche Ernährungsweise und welche Sportart für Sie am besten sind, oder auf welche Maßnahmen sich eine gute Haut- und Fußpflege stützt. Bei kaum einer anderen Krankheit setzt der dauerhafte Erfolg der Therapie ein derart hohes Maß an genauen Kenntnissen, Eigenverantwortlichkeit und Disziplin voraus: Regelmäßig seine Blutzuckerwerte zu kontrollieren und sich selbst – eventuell – mehrmals täglich zu spritzen, sich in Selbstbeobachtung zu üben, um rechtzeitig Anzeichen einer Unter- oder Überzuckerung zu erkennen und konsequent ungünstige Gewohnheiten zu ändern, die vielleicht lange Jahre das tägliche Leben bestimmt haben. Letztlich hängt es von jedem Betroffenen ab, ob Diabetes das Leben beherrscht oder der Patient den Diabetes. Eine gute Basis für die nicht immer einfache Bewältigung der „selbsttherapeutischen“ Anforderungen bietet die Diabetesschulung, in der theoretische und praktische Fertigkeiten für den Umgang mit Diabetes erlernt werden.

Ernährung.

Eine der Grundsäulen der Diabetestherapie ist die diabetesgerechte Ernährung. Lassen Sie sich bei der Diabetesschulung oder Ernährungsberatung einen individuellen Kostplan erstellen, der Ihren Therapiezielen entspricht, den Genuss aber nicht zu kurz kommen lässt. Außerdem gibt es inzwischen viele gute Kochbücher (Infobox) und Kochkurse für Diabetiker (z. B. bei den Volkshochschulen) mit Anregungen für eine gesunde und gleichzeitig wohlschmeckende Kost. Der Griff zu speziellen Diabetiker-Lebensmitteln ist nicht nötig: Wie Studien zeigten, bringt der Austausch von Zucker mit anderen Süßstoffen keine Vorteile. Nun hat die Bundesregierung beschlossen, Diabetiker-Lebensmittel sogar vom Markt zu nehmen.

Kohlenhydrate und Broteinheiten.

Kohlenhydrate sind nichts anderes als Zuckermoleküle (Glukose, Fruktose, Galaktose, Stärke) in unterschiedlicher Zusammensetzung. Insulinspritzende Diabetiker müssen die Kohlenhydratmenge einer Mahlzeit genau kennen, um ihre Insulindosis zu berechnen. Die Maßeinheit für die Kohlenhydratmenge ist die Broteinheit (BE; Kohlenhydrataustauscheinheit), die ungefähr der Menge eines Nahrungsmittels entspricht, in der 12 g verdauliche Kohlenhydrate enthalten sind. Austauschtabellen mit Angaben über die Broteinheiten der verschiedenen Lebensmittel erleichtern besonders zu Therapiebeginn das Zusammenstellen der Mahlzeiten. Eine weitere Möglichkeit ist, die Nahrungsmittel mit einer genauen Diätwaage zu wiegen, um dann die Broteinheiten zu berechnen. Nach einer gewissen Zeit geht es auch ohne Wiegen oder mit Hilfe von Küchenmaßen (z. B. Löffel, Tassen, Teller, Kellen) – am besten ist es jedoch, bei der Diabetesschulung Kohlenhydratportionen richtig einschätzen zu lernen.

Bewegung.

Regelmäßige körperliche Betätigung nimmt in der Diabetestherapie einen wichtigen Stellenwert ein. Diabetiker sollten zudem  Krafttraining nicht scheuen. Wie eine Studie (nämlich) gezeigt hat, reagieren Menschen, die ihre Muskeln aufbauen empfindlicher auf Insulin, sodass mehr Glukose aus dem Blut in die Körperzellen gelangt. Wenn Sie lange keinen Sport mehr getrieben haben, sollten Sie langsam wieder beginnen und die Aktivität stufenweise steigern. Anfangs ist es wichtig, den Blutzucker nicht nur vor und nach dem Training, sondern auch währenddessen zu kontrollieren. Liegt der Wert unter 100 mg/dl, sollten Sie mit dem Sport erst einmal aufhören und die Therapie umstellen, denn es droht Unterzuckerung. Gleiches gilt, wenn stark schwankende bzw. schlecht einstellbare Zuckerwerte oder eine akute Infektion vorliegen.

Für insulinpflichtige Diabetiker empfiehlt es sich, ein Protokollheft (Diabetiker-Pass, Diabetiker-Tagebuch) zu führen, in dem Blutzuckerwerte, Zeitpunkt der Messung, Dauer und Intensität des sportlichen Trainings sowie Zusatzkohlenhydrate und das Auftreten von Unterzuckerungsbeschwerden notiert werden. Wichtig ist auch, ein Stück Traubenzucker jederzeit griffbereit zu haben, um im Fall einer (drohenden) Unterzuckerung sofort handeln zu können.

Sondertext: Reisen mit Diabetes

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde.

Derzeit wird darüber spekuliert, ob eine Beobachtungsstudie neue Möglichkeiten der Diabetesbehandlung eröffnet: Zusätzlich zu ihrer Diabetestherapie nahmen nichtinsulinpflichtige Typ-2-Diabetiker täglich Kassia-Zimtpulver 40 Tage lang ein und erreichten eine erhebliche (signifikante) Senkung des Blutzuckerspiegels. Ob Zimt tatsächlich als Begleittherapie bei Typ-2-Diabetes geeignet ist, muss in weiteren Studien geklärt werden. Bekannt ist, dass große Mengen Kassia-Zimt wegen des darin enthaltenen Cumarin Leber- und Nierenschäden hervorrufen können. Kassia-Zimt kann deshalb nicht uneingeschränkt empfohlen werden. Die Kosten pro Tag liegen bei etwa einem Euro (drei Kapseln) und werden von den Kassen nicht übernommen.

Standardisierte Fertigarzneien mit hochdosiertem Nachtkerzenöl scheinen die Beschwerden der diabetischen Neuropathie zu lindern.

Magnetfeldtherapie.

Es gibt Hinweise, dass Magnetfeldtherapie Schmerzen infolge einer peripheren diabetischen Neuropathie zu lindern vermag. Speziell empfohlen werden Einlegesohlen mit pulsierenden Magnetfeldern bei Beschwerden in den Beinen.

Menschen mit Herzschrittmachern dürfen sich keiner Magnetfeldtherapie unterziehen, da es zu Wechselwirkungen mit der Steuerelektronik kommen kann.

Weiterführende Informationen

  • www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de – Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG, Bochum): Wissenschaftlich gehaltene, sehr umfassend informierende Internetseite – auch über das Metabolische Syndrom (Stichwortsuche).
  • www.diabetikerbund.de – Website der größten Selbsthilfeorganisation für Diabetiker in Deutschland, Kassel: Bietet nebst zahlreichen Informationen ein Diabetes-Lexikon für alle Fachbegriffe, praktische Tipps und Broschüren sowie den Europäischen Notfallausweis zum Herunterladen.
  • www.diabetes-risiko.de – Website der Deutschen Diabetes-Stiftung, München: Schwerpunkt ist „Diabetes erkennen – Risiko vermeiden“, mit Fachlexikon, diabetikergeeigneten Kochrezepten und hilfreichen weiterführenden Links – bietet auch Informationen zum Metabolischen Syndrom (Stichwortsuche).
  • www.diabetes-verlag.de – Internetseite mit zahlreichen Informationen zum Thema, der Diabetes-Pass kann hier gegen eine Schutzgebühr bestellt werden: Kirchheim-Verlag, Postfach 2524, 55015 Mainz.
  • P. Hien; B. Böhm: Diabetes-Handbuch. Eine Anleitung für Praxis und Klinik. Springer, 2005. Faktenreicher fachärztlicher Ratgeber.
  • A. Bopp: Diabetes. Stiftung Warentest, 2001. Verständlicher Ratgeber über Ursachen, Beschwerden und Behandlung von Diabetes mit zahlreichen Tipps für den täglichen Umgang mit der Erkrankkung sowie einem Extrakapitel zum Thema: Schwanger werden trotz Diabetes.
  • H. Lauber: Schlemmen wie ein Diabetiker. Kirchheim-Verlag, 2005. Kochbuch mit saisonalen Rezepten, das von einem Diabetiker unter Berücksichtigung von 100 diabetesgerechten Lebensmitteln zusammengestellt wurde.

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Nicole Schaenzler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 15:44 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.