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Tinnitus

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In der Stille stören Betroffene die Ohrgeräusche oft besonders.

Tinnitus (Ohrgeräusch, Ohrklingeln): Wahrnehmung von Geräuschen ohne Schallquelle.

Immerhin ein Drittel der Erwachsenen in den Industrieländern haben zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens mindestens einmal eine tage- bis wochenlange Phase eines akuten Tinnitus – Ohrgeräusche sind also praktisch eine Volkskrankheit. Bei 3 Millionen Patienten sind sie in einen chronischen Tinnitus übergegangen. Von einem chronischen Tinnitus spricht man, wenn die Ohrgeräusche länger als drei Monate anhalten.

Leitbeschwerden

  • Auftreten von Geräuschen unterschiedlicher Klangqualität: am häufigsten hochfrequentes Pfeifen, Rauschen oder Summen; seltener Zischen, Piepsen, Sausen oder Brummen
  • Häufig gleichzeitig Schwerhörigkeit
  • Vor allem in der Stille (z. B. nachts) wahrnehmbar.

Wann in die Arztpraxis

Innerhalb von 2 Tagen, wenn

  • plötzlich deutlicher Hörverlust auftritt. Hier besteht Verdacht auf Hörsturz, seltener auch bei verstopftem Gehörgang (Ohrenschmalzpfropf) vorkommend.

In den nächsten Tagen, wenn

  • quälende Ohrgeräusche auftreten, nicht mehr verschwinden. Nach intensiver Lärmexposition wie z. B. Open-Air-Konzert oder Schießübungen ist ein mehrtägiger Tinnitus jedoch normal.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Tinnitus ist eigentlich keine Erkrankung, sondern ein Symptom, das von vielen verschiedenen Grunderkrankungen ausgelöst werden kann.

Häufig liegt eine Funktionsstörung im Hörsystem zugrunde, Anzeichen dafür ist ein gleichzeitiger Hörverlust. Fast die Hälfte der Tinnitus-Betroffenen haben zusätzlich auch eine Hörminderung. Oft lassen sich jedoch keine Schäden am Ohr nachweisen. Das legt den Schluss nahe, dass Tinnitus in Regionen entsteht, die an der Geräuschweiterleitung und -verarbeitung beteiligt sind.

Ursachen und Risikofaktoren

Viele unterschiedliche Grunderkrankungen verursachen Tinnitus. Davon hängt ab, ob dieser akut oder chronisch, ein oder beidseitig auftritt oder der Betroffene ihn als pulsierend empfindet. Die häufigsten Auslöser dieser Tinnitusformen sind:

einseitiger akuter Tinnitus

zumeist beidseitiger akuter Tinnitus

zumeist einseitiger chronischer Tinnitus

  • Menière-Krankheit
  • Akustikusneurinom (gutartiger Tumor am Hörnerv) und andere Tumoren in der Nähe von Innenohr oder im Gehirn
  • Störungen des Kaumuskelsystems und Verspannungen in der Kiefer- und Nackenmuskulatur.

zumeist beidseitiger chronischer Tinnitus

pulsierender chronischer Tinnitus

  • Gutartige Tumoren der Blutgefäße am Hals, an der Schädelbasis oder am Trommelfell
  • Gefäßfehlbildungen oder -verengungen (Arteriosklerose)
  • Funktionsstörungen der Ohrtrompete
  • Gefäßgeräusche durch ungewöhnliche Gefäßverläufe

Anhand der vom Patienten geschilderten Tinnitusbeschwerden und weiterer Symptome wie zum Beispiel Schwindel oder Hörverlust sucht der Arzt nach der ursächlichen Grunderkrankung. Tritt z. B. ein einseitiger Tinnitus zusammen mit einer sich einseitig verschlechternden Hörfähigkeit auf, denkt der Arzt an ein Akustikusneurinom. Der Tinnitus schwindet mit zunehmender Ertaubung. Bei plötzlicher Hörminderung klärt er ab, ob ein Hörsturz vorliegt. Bei Tinnitus, Hörminderung plus Schwindel steht eine Menière-Krankheit im Raum. Ist der Tinnitus pulsierend, sind möglicherweise die Blutgefäße am Hals, an der Schädelbasis oder am Trommelfell verändert. Gelegentlich lösen auch Medikamente Ohrgeräusche aus. Chininhaltigen Erfrischungsgetränken schreibt man ebenfalls Tinnitus auslösende Effekte zu. Gibt es keinen Auslöser, liegt ein idiopathischer Tinnitus vor. Oft stehen dann psychische Ursachen im Raum, was sich aber kaum als Tinnitus-Ursache beweisen lässt.

Psychische Faktoren

Betroffene schildern oft, dass der Tinnitus im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit seelischen, aber auch körperlichen Belastungen auftritt.

Auch seine Tonhöhe und Intensität verändern sich oft mit dem Stressniveau: Gibt es im Alltag eine Belastungsspitze, wird der Tinnitus hochfrequent und laut. Stehen Urlaub und Entspannung an, so klingt er tiefer und wird leiser. Häufig beschreiben Patienten sogar ein einzelnes traumatisches Ereignis als Auslöser. Angstzustände und depressive Verstimmungen verstärken die Symptomatik weiter.

Hörsturz und Tinnitus

Das gesunde Innenohr hat eine große "Reizamplitude" – extrem große Schalldrücke (Lärm, Musikfestival, Schussgeräusche) machen ebenso wenig wie sehr geringe Schalldrücke (also weitestgehende Stille). Das durch den Hörsturz geschädigte Innenohr hat nur noch eine geringe Reizamplitude:

  • enorme Beschallung (Lärm, Musikfestival, Schussgeräusche) führt zu vorübergehender Schwerhörigkeit, Tinnitus und evtl. sogar zu Schmerzen und einer Lärmphobie
  • sehr geringe Schalldrücke, also weitestgehende Stille, sind aber auch schlecht, weil die "unterbeschäftigten" Innenohrsinneszellen dann selbst "Musik" machen, aber die geschädigten Filter im Innenohr diese nicht mehr ausfiltern können.

Die Lösung ist die Mitte, und die Meidung der Extreme: also temporärer Schallschutz bei hohem Lärm – und temporäre zusätzliche Schallquellen (üblicherweise Musik) bei übermäßiger Stille. Verlässt man die Mitte, verschlimmert sich der Tinnitus:

  • Bei zu großer Stille tritt das Grundrauschen der Hörsinneszellen in den Vordergrund. Das bedeutet, der Tinnitus wird schlimmer. Kritisch sind zumeist das Einschlafen und die nächtlichen Wachperioden.
  • Übergroßer, als unangenehm empfundener Schall – also Lärm – irritiert die Betroffenen und kann krank machen. Die Folgen von erwünschtem starkem Schall wie z.B. beim Konzert des Lieblings-Popstars sind geringer.
  • Bricht der Lärm dann ab und tritt wieder Stille ein, kann der Tinnitus zu einem Dröhnen anschwellen. Kritisch sind etwa Besuche in einem vollen Restaurant mit lauter Hintergrundmusik oder der Aufenthalt auf Baustellen mit großem Baumaschinenlärm.

Verlauf

In etwa 70 % klingt der Tinnitus innerhalb von zwei Monaten ab. Die Symptomatik verschwindet also von selbst wieder, auch ohne Therapie. Von daher ist zwar die Besorgnis der Betroffenen über das plötzliche Geräusch oder den Ton gut zu verstehen, aber von medizinischer Seite handelt es sich in seltenen Fällen um eine schlimme Erkrankung.

Viele Betroffene fühlen sich in ihrer Lebensqualität aber deutlich eingeschränkt, 400 000 Menschen in Deutschland sind durch Ohrgeräusche derart belastet, dass sie unter Schlafstörungen, Depressionen und Angstzuständen leiden.

Diagnosesicherung

Die Diagnose ist teilweise sehr komplex, da viele Grunderkrankungen infrage kommen. In der Regel werden Hörprüfungen durchgeführt, um etwaige Einschränkungen des Hörvermögens genau zu erfassen. Zudem gibt das Gespräch mit dem Patienten wichtige Hinweise über mögliche Auslöser wie Stress oder Lärm. Anschließend kommen Untersuchungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels oder der Halswirbelsäule hinzu.

Behandlung

Die Behandlung ist stark vom Einzelfall abhängig und erfordert vom Arzt eine sorgfältige Prüfung der verschiedenen Therapieoptionen. Die Spontanheilung, d. h. die Rückbildung sämtlicher Symptome ohne Therapie, liegt bei 70 %. Eine klare, eindeutig wirksame Behandlung existiert bisher nicht – aufgrund der hohen Spontanheilungsrate lässt sich die Wirksamkeit einzelner Verfahren nur schlecht belegen.

Akuter Tinnitus

Ein durch ein akutes Ereignis wie ein Rockkonzert oder ein Knalltrauma ausgelöster Tinnitus verschwindet in der Regel von selbst und benötigt keine Therapie außer 1-2 Tage Geduld.

Ansonsten ist es beim akuten Tinnitus wie so oft in der Medizin: da nichts wirklich hilft, gibt es eine Menge von Therapieverfahren mit sehr unterschiedlichen Ansätzen. Auch übernehmen die Krankenkassen die Kosten oft nicht - was zusätzlich misstrauisch machen sollte. Behandelt wird der akute Tinnitus z. B. durch:

  • Kortison. Wie beim Hörsturz bietet sich eine 10- bis 15-tägige Behandlung mit Kortison in absteigender Dosierung an, beginnend z. B. als hoch dosierte Spritze oder Infusion, dann ab dem 3.–5. Tag in Tablettenform. Alternative ist, das Kortison direkt ins Ohr zu spritzen.
  • Ambulante Infusionstherapie. Früher durchliefen viele Patienten eine ambulante Infusionstherapie für etwa 5–10 Tage, jeweils 2–4 Stunden pro Tag, um die Durchblutung des Innenohrs zu verbessern. Experten sehen diese Verfahren nicht nur aufgrund der nicht belegten Wirksamkeit kritisch. Im Fall vom manchmal noch verwendeten Lidocain können zudem ernste Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen auftreten.
  • Hyperbare Sauerstofftherapie. Beim akuten Tinnitus wird auch die hyperbare Sauerstofftherapie in der Druckkammer als Therapieversuch angeboten. Diese Kosten übernehmen die Krankenkassen normalerweise nicht.
  • Manuelle Behandlung. Bei Problemen der Halswirbelsäule hilft eine Untersuchung und Behandlung z. B. beim Orthopäden oder beim Chiropraktiker.

Begleitend erfolgt immer, wenn möglich, eine Behandlung der Grunderkrankung.

Chronischer Tinnitus

Beim chronischen Tinnitus ist das primäre Therapieziel die Linderung der Symptome. Das A und O ist der "vernünftige" Umgang mit dem Ohrgeräusch, mit Lärm und mit Stille. Die Lösung ist - wie oben erklärt - das Meiden der Extreme: also temporärer Schallschutz bei hohem Lärm – und temporäre zusätzliche Schallquellen wie Musik bei übermäßiger Stille. Deshalb helfen folgende Tipps:

  • Bei normaler Geräuschkulisse (Fernsehen, Geselligkeit, normale Tagesgeräusche): Lassen Sie das Ohr offen – stört der Lärm, ist Watte ins geschädigte Ohr die beste Erste Hilfe – das nimmt ca. 10 dB Schalldruck, das ist nicht zu viel.
  • Reicht das nicht aus, sind moderne Arbeitsschutzstöpsel zu empfehlen, die das Ohr elastisch abdichten. Diese gibt es preiswert im Internet. Sie nehmen 20-30 dB Schalldruck, also recht viel. Oropax und ähnliche feste Schallstöpsel sind was fürs Museum, weil sie das Ohr nur zeitweise wirklich abdichten und ihre Wirkung deshalb stark schwankt.
  • Wenn es an angenehmen Umgebungsgeräuschen mangelt, machen Sie selber Geräusche die sie mögen, etwa Hintergrundmusik und lassen Sie diese laufen. Auch ein leise laufender Fernseher im Nebenzimmer ist für manche besser als Stille. Nachts ist es definitiv besser, mit geöffnetem Fenster zu schlafen, damit die Geräuschkulisse von außen Ihr geschädigtes Ohr "beschäftigt".
  • Haben Sie einen Hörschaden, lassen Sie sich beraten, ob Ihnen ein Hörgerät hilft. Dieses nützt doppelt: es verstärkt leise Geräusche und Sprache und minimiert so ungünstige Stilleperioden und es regelt zugleich überschwelligen Lärm elektronisch herunter. In der Praxis berichten deshalb viele Betroffene, dass der Gebrauch des Hörgeräts ihren Tinnitus erträglicher gemacht hat.

Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung des chronischen Tinnitus empfehlen die kognitive Verhaltenstherapie auf der Grundlage eines evidenzbasierten, strukturierten Therapiemanuals als Gruppen- oder Einzeltherapie. Dabei lernt der Patient, seine Aufmerksamkeit weniger auf die Ohrgeräusche zu fokussieren und seine diesbezüglichen Ängste abzubauen.

Viele der häufig angewandten Behandlungsverfahren werden in den aktuellen Leitlinien eher kritisch diskutiert. Zu weiteren, unterschiedlich beurteilten Therapieversuchen gehört:

  • Tinnitusmasker. Akustische Überdeckung des störenden Ohrgeräuschs durch einen Tinnitusmasker. Dieses Gerät sieht aus wie ein Hörgerät. Durch ein fest definiertes Rauschen, das ein Hörgeräteakustiker einstellt, nimmt der Patient seinen eigenen Tinnitus nicht mehr wahr. Es hilft bei manchen Patienten durchaus – wenn man es vorübergehend nicht mehr benutzt, treten die Ohrgeräusche jedoch umso störender auf. Der Tinnitusmasker kann auch nachts getragen werden.
  • Tinnitus-Retrainingstherapie. Im Rahmen einer Tinnitus-Retrainingstherapie sollen das Ohr und das Gehirn wieder lernen, störende Geräusche auszufiltern. Dazu wird ein Tinnitusnoiser eingesetzt, der ein zweites Rauschen erzeugt, das den Tinnitus aber nicht überdeckt. Wenn sich der Patient auf das neue Geräusch konzentriert, lernt er zugleich, die eigenen dauerhaften Ohrgeräusche auszublenden bzw. nicht mehr als störend wahrzunehmen. Diese Behandlung dauert mehrere Monate und beinhaltet eine intensive psychologische Beratung. Obwohl das Tinnitus-Retraining gute Erfolge zeigt, übernehmen es die gesetzlichen Krankenkassen nicht als Regelleistung – ob und welche Kosten sie im Einzelfall erstatten, sollte daher vor Behandlungsbeginn geklärt werden.
  • Hyperbare Sauerstofftherapie. Wenn sich der Tinnitus hartnäckig hält, versuchen es manche Patienten mit der Druckkammer. Es gibt zwar wenig Daten zu dieser Therapieform, aber Erfahrungsberichten zufolge nimmt bei einigen Betroffenen zumindest die Stärke der Beschwerden ab.
  • Biofeedback. Chronischen Tinnitus mithilfe von Biofeedback zu lindern, ist einen Versuch wert, auch wenn Studien zur Wirksamkeit für diese Indikation bislang nicht eindeutig positiv verlaufen sind.
  • Musiktherapie. Im Deutschen Zentrum für Musiktherapie (DZM) wurde ein Therapiemodell entwickelt, das bei 80 % der Patienten anschlägt. Durch gezielte Übungen mit Musik lernen sie, bewusst Kontrolle über das Ohrgeräusch auszuüben. Neuesten Erkenntnissen zufolge profitieren die Patienten auch langfristig: So nahmen bei ihnen innerhalb von drei Jahren die Ohrgeräusche um durchschnittlich 20 Prozent ab. Selbst Patienten mit sehr starkem Tinnitus sprachen derart gut auf die Musiktherapie an, dass sie mittlerweile nur noch mit leichten Ohrgeräuschen zu kämpfen haben.

Prognose

In etwa 70 % der Fälle verschwindet der Tinnitus von selbst wieder. Bleibt er aber länger als 3 Monate und wird er damit chronisch, ist die Prognose schlechter. Es gibt allerdings Fälle, in denen ein chronischer Tinnitus wieder verschwindet, zudem besteht die Chance, dass er im Verlauf der Jahre zumindest an Intensität verliert.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Der Tinnitus ist kein Notfall, aber durchaus ein Eilfall, denn die Patienten werden durch dieses Symptom sehr verunsichert. Manchmal löst sich das Problem auch durch eine große Portion Schlaf – lassen Sie sich gegebenenfalls ein Schlafmittel verordnen – und anschließendes etwas "Kürzertreten". Tritt der Tinnitus als einziges Symptom auf (also nicht im Rahmen eines Hörsturzes, einer Menière-Krankheit oder einer sonst nachweisbaren Erkrankung), weiß die Wissenschaft noch nicht viel über das Problem. Einige Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass es sich um eine neurologische Erkrankung handelt, deren Sitz in der Hörrinde des Schläfenlappens im Gehirn liegt. Es ist zwar durchaus möglich, dass der Tinnitus bleibt, allerdings muss man einräumen, dass sich auch noch nach Jahren chronische Probleme zum Positiven hin ändern können.

Stressmanagement.

Vermeiden Sie bei akutem Tinnitus jeden Stress und lassen Sie sich z. B. für einige Tage krankschreiben. Haben Sie öfters Tinnitusepisoden, sollten Sie versuchen, eine Entspannungstechnik oder bestimmte Entspannungsübungen zu erlernen, um den Stress besser abzubauen (z. B. Autogenes Training).

Fokus weg vom Tinnitus.

Lenken Sie sich akustisch von Ihrem Tinnitus ab, und versuchen Sie, sich auf andere Geräusche zu konzentrieren. Besonders geeignet sind gleichförmige Hintergrundgeräusche wie sie z. B. ein tickender Wecker oder ein Zimmerspringbrunnen.

Um einen bildhaften Vergleich zu wählen: Betrachten Sie den Tinnitus als lästige Mücke, die nachts in Ihrem Schlafzimmer herumfliegt, aber bei Licht unauffindbar bleibt. Die einzige Chance wieder einzuschlafen, besteht darin, die Decke über beide Ohren zu ziehen und an andere Dinge zu denken, Ihre innere Aufmerksamkeit also wegzulenken vom Störfaktor Mücke. Genauso liegt der Fall beim Tinnitus: Nur wenn Sie ihn innerlich loslassen können, werden Sie ihn besiegen. Konzentrieren Sie sich jedoch auf ihn, reden Sie über ihn, denken Sie auch im Wachzustand an ihn – so haben Sie den Kampf schon verloren. Viele Menschen haben mit dieser Ablenkungsmethode Erfolg. Bei sehr lauten Ohrgeräuschen oder -tönen funktioniert sie jedoch erfahrungsgemäß nur noch bedingt.

Rückzug vermeiden.

Ziehen Sie sich nicht zurück und machen Sie den Tinnitus nicht zu Ihrem Lebensmittelpunkt. Bemühen Sie sich um positives Denken und pflegen Sie Ihren Freundeskreis sowie Ihre familiären Beziehungen.

Genussmittel.

Finden Sie heraus, ob Ihr Gehör unter Nikotin, Koffein oder Alkohol leidet. Der Tinnitus ist da für viele ein ehrliches Barometer. Und wenn es ausschlägt: Reduzieren Sie das entsprechende Genussmittel radikal.

Sport.

Körperliche Bewegung tut gut, auch wenn der Tinnitus direkt nach dem Sport erst einmal etwas intensiver werden kann. Vor allem moderater Ausdauersport hilft, Stress abzubauen und den Tinnitus damit langfristig zu reduzieren.

Entspannung.

Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga oder Tai Chi haben zwar keinen direkten Einfluss auf die Intensität eines Tinnitus, helfen aber, besser mit Stress bzw. stressbelastenden Situationen umzugehen. Schon aus diesem Grund sind sie als begleitende Maßnahme in der Tinnitustherapie hilfreich.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde.

Ob durchblutungsfördernde Heilpflanzen, allen voran Ginkgo, bei Tinnitus helfen, ist umstritten. Manche Experten zweifeln die Aussagekraft von Studien generell an, nach denen die regelmäßige Einnahme von Gingko-Extrakten sich günstig auf einen chronischen Tinnitus auswirkt.

Akupunktur.

Akupunktur kann die Tinnitusbehandlung unterstützen, obwohl nicht geklärt ist, ob die Akupunktur selbst heilsam wirkt oder ob die Betroffenen vom entspannenden Effekt profitieren.

Homöopathie.

Die Homöopathie empfiehlt als Begleitmaßnahme eine individuell abgestimmte Konstitutionstherapie. Häufig eingesetzte Homöopathika bei Tinnitus sind z. B. Calcium carbonicum, Calcium sulfuratum, Coffea, Kalium carbonicum oder Phosphorus.

Prävention

Auslöser identifizieren.

Je öfter Sie Tinnitusepisoden haben, desto eher droht Ihr Tinnitus zum Dauerproblem zu werden. Versuchen Sie herauszufinden, welche Faktoren Tinnitusepisoden hervorrufen. Das können Überforderungssituationen im Job sein, aber auch Verkehrsgeräusche, die nachts den Schlaf unterbrechen, ungelöste finanzielle Probleme oder familiäre Schwierigkeiten. Das Leben ist nicht dauerhaft ohne Stress zu haben, deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Stressoren genau Ihr Problem sind. Und scheuen Sie dann keinen Aufwand, Ihre "Tinnitus-Provokateure" auszuschalten. Egal, ob ein Arbeitsplatzwechsel, eine Erziehungsberatung oder ein Wohnungswechsel erforderlich sind – tun Sie, was zu tun ist, damit Sie nicht für Jahre und Jahrzehnte unter einem chronischen Tinnitus leiden.

Lärm meiden.

Wenn Ihr Arbeitsplatz durch Lärm und Lärmspitzen geprägt ist (z. B. in Abfüllanlagen oder in der Holz- und Metallverarbeitung), sollten Sie mit dem Betriebsarzt offen über Ihr Problem reden. Zumindest bei hochfrequenten Belastungen helfen spezielle Lärmstöpsel und -schutzkapseln. Problematisch ist übrigens auch das Violinespielen – wenn Ihr Tinnitus linksseitig ist, sollten Sie grundsätzlich einen Lärmstöpsel beim Spielen einsetzen. Noch besser sind individuell vom Hörgeräteakustiker nach einem abgeformten Modell angepasste Lärmstöpsel, diese bringen bis zu 25 dB Lärmreduktion.

Selbstverständlich sollte sein, dass Sie nicht notwendige Lärmbelastungen wie Bierzeltfeste oder Restaurantbesuche in lauten Lokalitäten meiden – oder eben Lärmstöpsel tragen – wobei diese, wenn sie wirksam sind, die Verständigung weiter erschweren.

Weiterführende Informationen

  • www.awmf.org – Leitlinien chronischer Tinnitus. Hier werden die gängigen Therapiemethoden auf ihre Wirksamkeit hin bewertet.
  • www.tinnitus-liga.de – Website der Deutschen Tinnitus-Liga.

Autor*innen

Prof. Dr. med. Gerhard Grevers; Dr. Ute Koch; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen "Wann zum Arzt", "Behandlung" und "Weiterführende Informationen": Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 08:11 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.