Weitergeleitet von Nierenbeckenentzündungen

Nierenbeckenentzündung, akute

Frau mit Flankenschmerzen. Das kann auf eine Nierenbeckenentzündung hindeuten.
Syda Productions/Shutterstock.com
Bei einer Nierenbeckenentzündung leiden Betroffene unter starken Flankenschmerzen.

Akute Nierenbeckenentzündung (akute Pyelonephritis): Entzündung des Nierenbeckens, oft bis ins Nierenkelchgewebe vordringend und meist durch Bakterien verursacht. Die akute Nierenbeckenentzündung ist eine häufige Komplikation der Blasenentzündung und kommt bei Frauen zwei- bis dreimal häufiger vor als bei Männern. Sie kann – bleibt sie unerkannt – in die chronische Form der Nierenbeckenentzündung übergehen. Wird die akute Nierenbeckenentzündung rechtzeitig mit Antibiotika behandelt, ist die Prognose gut.

Leitbeschwerden

  • Fieber, eventuell mit Schüttelfrost
  • Einseitige Rückenschmerzen in der Nierengegend (Flankenschmerz)
  • Stark beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, eventuell mit Übelkeit und Erbrechen
  • Schmerzhaftes und häufiges Wasserlassen.

Wann in die Arztpraxis

Heute noch bei

  • Fieber und brennenden Schmerzen beim Wasserlassen
  • Rückenschmerzen oberhalb der Taille.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Die akute Nierenbeckenentzündung entsteht fast immer durch Bakterien, die aus der Blase in Richtung Niere aufsteigen. Deshalb ist die Patient*in meist schon im Vorfeld an einer Blasenentzündung erkrankt. In etwa 90 % der Fälle handelt es sich bei den Bakterien um Escherichia coli, die normalerweise im Dickdarm leben. Sie gelangen über die Dammregion zur Harnröhrenöffnung und über die Harnröhre in die Blase. Die Bakterien können aber auch an den äußeren Geschlechtsorganen vorkommen und von dort die Harnröhre als Eintrittspforte zur Blase nutzen.

Von der Blase aus steigen die Bakterien durch den Harnleiter zum Nierenbecken hoch (deshalb nennt man diese Art von Infektion auch eine aufsteigende Infektion). Dies bemerkt die Betroffene aber meist nicht, da er zu diesem Zeitpunkt noch keine Beschwerden hat. In der Regel ist nur eine Niere betroffen. So bleibt der Erkrankten auch bei schweren Komplikationen noch eine funktionsfähige Niere, die für einen gesunden Menschen ausreicht.

Vom Nierenbecken aus verteilen sich die Bakterien im Nierengewebe, genauer im Nierenmark. Nun beginnt die körpereigene Abwehrreaktion: Vom Immunsystem erkannt, wandern zur Bekämpfung der Bakterien weiße Blutkörperchen in die Nieren und es kommt zur Bildung von kleinen Eiterherden, um die Erreger abzukapseln.

Der Arzt unterscheidet die akute von der chronischen Nierenbeckenentzündung. Während bei der akuten Form (links) meist aufsteigende Bakterien für die Nierenbeckenentzündung verantwortlich sind, ist bei der chronischen Form (rechte Bildhälfte) in der Regel ein Harnstau an einer der Engstellen der Harnwege ursächlich.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Sehr selten entsteht eine Nierenbeckenentzündung durch Bakterien, die die Niere über das Blut erreichen. Dann spricht die Ärzt*in von einer deszendierenden (absteigenden) Infektion. Die Folgen in der Niere sind die gleichen wie bei einer aufsteigenden Infektion.

Risikofaktoren

Schwangere Frauen und Menschen mit einem vesikorenalem Reflux sind besonders gefährdet. Bei Schwangeren erweitern sich die Harnleiter durch die Wirkung der Hormone, wodurch den Bakterien das Hochwandern zur Niere erleichtert wird. Außerdem haben Schwangere vermehrt Glukose im Urin und bieten dadurch Bakterien wie Escherichia coli ideale Ernährungsbedingungen.

Weitere Risikofaktoren sind alle Umstände, die das Eindringen oder Vermehren von Bakterien begünstigen:

  • Fremdkörper im Urogenitalsystem wie z. B. ein Blasenkatheter
  • Sexuelle Aktivität: Beim Sex werden häufig Darmkeime in die Harnröhre verschleppt
  • Belastungsinkontinenz, Diabetes mellitus und die Verwendung von Spermiziden zur Empfängniskontrolle.

Komplikationen

Gefürchtet ist der Übertritt der Bakterien in die Blutbahn, besonders bei bereits bestehenden Behinderungen des Harnabflusses wie bei Nierensteinen, Nierentumoren oder einer Prostatavergrößerung. Dies kann eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Urosepsis, wie die von den Harnwegen ausgehende Blutvergiftung heißt) auslösen.

Wird die akute Nierenbeckenentzündung früh erkannt und richtig behandelt, heilt sie ohne Komplikationen, wobei oft kleine Narben zurückbleiben, die aber die Nierenfunktion nicht merklich beeinträchtigen. Unterbleibt die rechtzeitige Therapie, drohen Rückfälle, ein Nierenabszess, umfangreiche Narbenbildung sowie die allmähliche Zerstörung der Niere.

Diagnosesicherung

Bei der körperlichen Untersuchung stellt die Ärzt*in häufig einen Nierenklopfschmerz fest. Außerdem prüft sie mit einem Urin-Stix, ob im Urin der Patient*in weiße Blutkörperchen vorkommen. Darüber hinaus veranlasst sie für den Nachweis des Erregers eine Urinkultur aus dem Mittelstrahlurin. Das Ergebnis der Urinkultur mit Bakterienmenge, Bakterienart und Antibiogramm liegen in der Regel nach 24–48 Stunden vor.

Vermutet die Ärzt*in eine eingeschränkte Nierenfunktion, bestimmt sie im Blut die Kreatinin-Konzentrationund die Werte für Harnstoff, Harnsäure und Cystatin C. Außerdem prüft sie die Entzündungsparameter CRP, BSG und Leukozyten im Blut, manchmal legt er auch eine Blutkultur an.

Mit dem Ultraschall untersucht die Ärzt*in die Nieren auf Eiterherde und Zeichen einer Harnstauung. Vermutet die Ärzt*in Abflussstörungen im Urogenitaltrakt, kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz, wie z. B.

Differenzialdiagnosen. Starke Schmerzen im Flankenbereich und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl kommen z. B. auch bei der Gallenblasenentzündung, der Pankreatitis, der Adnexitis und der Blinddarmentzündung vor. Auch eine Lungenentzündung oder eine Pleuritis verursachen manchmal ähnliche Schmerzen wie die Nierenbeckenentzündung.

Behandlung

Zur Behandlung einer akuten Nierenbeckenentzündung mit nur leichten Beschwerden verschreibt die Ärzt*in für 1–2 Wochen Antibiotika, z. B. ein Fluorchinolon wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin, alternativ auch ein Cephalosporin wie Ceftibuten oder Cefpodoxim. Schwangeren verordnet die Ärzt*in meist ein Cephalosporin, da Fluorchinolone kontraindiziert sind.

Eine schwere akute Nierenbeckenentzündung mit hohem Fieber und schlechtem Allgemeinzustand wird in der Regel im Krankenhaus behandelt. Um die Bakterien sicher abzutöten, wählt die Ärzt*in mehrere hochwirksame Antibiotika (z. B. Ampicillin und Sulbactam wie in Unacid®) und verabreicht diese zunächst per Infusion. Bei Harnverhalt, d. h., wenn die Patient*in kein Wasser lassen kann, bekommt sie vorübergehend einen Dauerkatheter, um den Urin zuverlässig abzuleiten. Bessert sich der Zustand der Patient*in nach 2–3 fieberfreien Tagen, kann sie die Antibiotikatherapie in Form von Tabletten zu Hause fortsetzen.

Warnhinweis: Auch wenn die Beschwerden bereits nach kurzzeitiger Einnahme von Antibiotika verschwinden, muss die Therapie bis zum geplanten Ende eingehalten werden, sonst droht ein Rückfall.

Prognose

Nach einer Nierenbeckenentzündung entwickeln 9 % der Frauen und 7 % der Männer in den darauffolgenden 12 Monaten eine weitere Nierenbeckenentzündung. Nach der vierten Episode liegt das 1-Jahres-Risiko für eine weitere Nierenbeckenentzündung bei Männern und Frauen sogar über 50 %.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

  • Halten Sie strikte Bettruhe ein. Auch nach Abklingen der Symptome sind Ruhe und Erholung geboten: Vermeiden Sie vorerst jede körperliche Anstrengung.
  • Viel trinken. Mindestens ebenso wichtig ist es, wenigstens 3 l täglich zu trinken, und zwar sowohl im Akutstadium als auch während der Phase, in der allmählich eine Besserung der Beschwerden eintritt. Besonders empfehlenswert sind Tees mit Heilkräutern, die eine harnsteigernde Wirkung haben bzw. sich zur Durchspülungstherapie empfehlen. Spezielle Blasentees (aus der Apotheke) − meist mit Bärentrauben, Brennnessel, Goldrute, Schachtelhalm oder Birke − wirken harntreibend und leicht desinfizierend. 3–4 Tassen Blasentee pro Tag reichen aus. Blasentees mit Bärentraubenblättern dürfen maximal fünfmal im Jahr für je 1 Woche angewendet werden, da Abbauprodukte des Tees Leberschäden verursachen können.
  • Blase regelmäßig und vollständig entleeren. Gehen Sie aber nicht ständig auf die Toilette – bei manchen Menschen entwickelt sich sonst ein Automatismus, schon bei leichter Blasenfüllung einen starken Harndrang zu verspüren.
  • Wärme wirkt schmerz- und krampflindernd: Legen Sie Wärmeflaschen, Kirschkernsäckchen oder Heublumenauflagen (Apotheke) auf Unterbauch und Rücken oder setzen Sie sich darauf. Decken Sie sich dann mit einer Wolldecke zu, damit die Wärme länger hält

Komplementärmedizin

Als Begleitmaßnahme können gegebenenfalls homöopathische Akutmittel wie Apis, Belladonna, Berberis, Cantharis oder Sulfur eingesetzt werden, keinesfalls sollte jedoch eine homöopathische Behandlung anstelle der Antibiotikatherapie erfolgen.

Prävention

Zur Vorbeugung kommen die gleichen Maßnahmen in Betracht wie die zur Vermeidung einer (erneuten) Blasenentzündung:

  • Wischen Sie nach dem Toilettengang und bei der äußeren Reinigung des Intimbereichs stets von vorn nach hinten Richtung After − so vermeiden sie eine Verschleppung der Kolibakterien aus der Analregion in die Harnröhre.
  • Halten Sie Unterleib und Füße warm − Auskühlung schwächt das Immunsystem und bereits vorhandene Erreger vermehren sich schneller.
  • Bevorzugen Sie Wäsche aus luftdurchlässiger Baumwolle, die Schweiß und Feuchtigkeit ableitet. Synthetikstoffe und zu enge Kleidung fördern die Bildung eines feuchten Milieus, in dem sich Bakterien rasch vermehren.
  • Verwenden Sie Tampons statt Binden und Slipeinlagen, denn letztere schaffen ebenfalls ein feuchtes Milieu, wenn sie nicht mehr trocken sind (wechseln Sie sie gegebenenfalls öfters).
  • Lassen Sie so viel Luft wie möglich an Ihr äußeres Genital, z. B., indem Sie nachts ohne Unterhose und im Nachthemd schlafen.
  • Wechseln Sie beim Baden im Sommer Ihre nasse Badekleidung sofort nach dem Schwimmen, wenn Sie sich noch sonnen wollen.
  • Manchmal begünstigt Sexualkontakt das Einwandern körpereigener Bakterien in die Blase. Nur selten handelt es sich um eine direkte Ansteckung. Deshalb empfiehlt es sich, nach dem Sex Wasser zu lassen − das schwemmt angeschleppte Bakterien wieder aus, bevor sie sich vermehren können. Die Genitalregion sollte am besten in einem Bidet gewaschen werden.
  • Spermizide Gels und mechanische Verhütungsmittel wie Portiokappe oder Diaphragma fördern Blasenentzündungen, indem sie neben den Spermien auch die schützenden vaginalen Laktobazillen abtöten − wenn Sie diesen Verdacht haben, probieren Sie andere Verhütungsmethoden.
  • Falls Sie bisher Intimsprays verwendet haben: in den Müll damit! Benutzen Sie für die tägliche Reinigung des äußeren Intimbereichs am besten nur Wasser: Wenn Sie milde ph-neutrale Waschlotion bevorzugen, verwenden Sie diese lediglich in geringen Mengen.
  • Helfen alle diese Maßnahmen nicht, ist eine dauerhafte Vorbeugung mit einem Antibiotikum das einzige effektive Mittel, um Nierenschäden und ständige Erkrankungen des Harntrakts zu vermeiden.

Autor*innen

Dr. André Lauber, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 14:43 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.