Weitergeleitet von Buerger-Syndrom

Thrombangiitis obliterans

Ein Mann zieht an einer Zigarette. Als Raucher hat er das Risiko, an einer Thrombangiitis obliterans zu erkranken.
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In den meisten Fällen sind stark rauchende Männer von der Thrombangiitis obliterans betroffen.

Thrombangiitis obliterans (Buerger-Syndrom, Endangiitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger): Schubweise verlaufende Entzündung der mittleren und kleinen Arterien und Venen der Gliedmaßen. Die nachfolgenden Durchblutungsstörungen führen zunächst zu Missempfindungen und Kälteempfindlichkeit an Füßen oder Händen, später kommen Schmerzen, Geschwüre und Gewebenekrosen hinzu. Betroffen sind meist Männer unter 40, zu 95 % starke Raucher. Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist der sofortige Verzicht auf Tabak. Daneben werden zur Verbesserung der Durchblutung Medikamente oder gefäßchirurgische Maßnahmen eingesetzt. Langfristig müssen etwa drei Viertel der Betroffenen mit einer oder sogar mehreren Amputationen von Fingergliedern, Zehen oder Teilen des Fußes rechnen.

Leitbeschwerden

  • Missempfindungen und Kältegefühl an Zehen, Füßen, Fingern oder Händen
  • Raynaud-Symptomatik
  • Belastungsabhängige Schmerzen an der Fußsohle oder in der Hohlhand
  • Schlecht heilende Geschwüre an Händen und Füßen.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die Thrombangiitis obliterans ist eine chronische Gefäßerkrankung, bei der es in kleinen und mittelgroßen Arterien oder Venen schubweise zu segmentalen Entzündungen der Gefäßwände kommt. In den betroffenen Abschnitten bilden sich leicht Blutgerinnsel (Thromben), die das Gefäß verengen oder sogar ganz verschließen.

Aufgrund der reduzierten oder komplett unterbundenen Durchblutung wird das hinter dem Thrombus liegende Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dadurch kommt es in den Füßen oder Händen zu Schmerzen bei Bewegung. Kleine Wunden können nicht mehr richtig abheilen und es entwickeln sich Geschwüre. Im schlimmsten Fall stirbt das Gewebe komplett ab und die Finger oder Zehen werden schwarz.

Epidemiologie

Die Thrombangiitis obliterans ist in Europa und den USA eher selten. Man rechnet, dass nur bis zu 5 % der Patient*innen mit einem Arterienverschluss daran erkrankt sind. In Osteuropa, im Mittleren und Fernen Osten ist die Thrombangiitis viel häufiger: Dort sind bis zu 80 % der Patient*innen mit Gefäßverschlüssen davon betroffen.

Männer erkranken zudem deutlich häufiger an der Thrombangiitis obliterans als Frauen. Der Altersgipfel bei Erkrankung liegt zwischen 35 und 45 Jahren.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache dieser Gefäßentzündung (Vaskulitis) ist bisher nicht bekannt. Es gibt Vermutungen, dass autoimmune Reaktionen dahinterstecken. Manche Fachleute gehen auch von Infektionen aus. Die starken Unterschiede in der weltweiten Verteilung sprechen dafür, dass die genetische Veranlagung eine Rolle spielt.

Entscheidend für die Entwicklung der Erkrankung ist offenbar der Tabakkonsum, und zwar in jeder Form. Der Reiz der Tabakinhaltsstoffe auf die Gefäßwände wird von vielen Fachleuten als ein Trigger angesehen, der bei entsprechend veranlagten Menschen die chronische Entzündung auslöst. Als weiterer Risikofaktor gilt das männliche Geschlecht: Bei gleichem Rauchkonsum sind Männer weitaus häufiger von einer Thrombangiitis obliterans betroffen als Frauen.

Klinik und Verlauf

Die Beschwerden beginnen häufig mit dem Gefühl von Brennen, Kribbeln oder Taubheit an Unterschenkeln und Füßen, seltener auch an Unterarmen oder Armen. So gut wie immer sind beide Beine bzw. Arme betroffen, manchmal auch alle vier Gliedmaßen zusammen. Weiterhin sind Finger und Zehen der Betroffenen oft besonders kälteempfindlich, jede Zweite entwickelt ein Raynaud-Syndrom. In relativ kurzer Zeit entstehen Geschwüre, die schlecht heilen, und es kommt zu bewegungsabhängigen Schmerzen in Füßen oder Händen.

Im weiteren Verlauf werden die Zehen oder Fingerspitzen oft blau und schmerzen auch in Ruhe stark. Meist bilden sich weitere Geschwüre aus, die sich leicht mit Pilzen oder Bakterien infizieren. In diesem Stadium droht das Gewebe komplett abzusterben und es kommt zum Verlust von Zehen oder Fingerkuppen.

Manchmal entzünden sich auch die oberflächlichen Venen. Dies zeigt sich durch eine strangförmige Rötung und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Gefäßes.

Komplikationen

Bei stark ausgeprägten Beschwerden entwickeln die Betroffenen Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit. Manche nehmen auch ungewollt deutlich an Gewicht ab. In einigen Fällen leiden die Patient*innen zusätzlich unter ausgeprägten Muskel- oder Gelenkschmerzen.

Diagnosesicherung

Oft gibt schon die Krankengeschichte Hinweise auf eine Thrombangiitis obliterans. Verdächtig sind Missempfindungen oder bewegungsabhängige Schmerzen an Fußsohle oder Hohlhand – vor allem, wenn die Betroffene raucht und zwischen 30 und 40 Jahren alt ist.

Bei der klinischen Untersuchung achtet die Ärzt*in vor allem auf kleine Geschwüre oder schlecht heilende Wunden an den Fingern oder Zehen. Zur Überprüfung der Durchblutung dienen folgende Tests und Untersuchungen:

  • Pulsstatus erheben. Dazu misst die Ärzt*in alle erreichbaren Pulse an den Gliedmaßen, in den Leisten und am Hals.
  • Ratschow-Lagerungsprobe. Dabei liegt die Patient*in auf dem Rücken, hebt die Beine und lässt die Füße zwei Minuten kreisen. Bei Durchblutungsstörungen blasst das Bein ab. Außerdem braucht der Fuß nach dem Aufsitzen und Herabhängenlassen länger als 5 Sekunden, um sich wieder mit Blut zu füllen – was man an der Rötung erkennt.
  • Allen-Test. Beim Allen-Test wird die Durchblutung der Hand geprüft. Während die Ärzt*in die zuführenden Arterien abdrückt, öffnet und schließt die Patient*in die Hand und diese blasst ab. Werden die Arterien nicht mehr abgedrückt, muss die normale Farbe der Hand schlagartig zurückkommen. Bei Durchblutungsstörungen verzögert sich dies.

Untermauert wird die Diagnose durch bildgebende Verfahren. Dazu ist nicht immer eine Angiografie (d. h. eine röntgenologische Untersuchung der Gefäße mit Kontrastmittel) nötig. Oft lassen sich die typischen Befunde auch im Ultraschall (Farbduplexsonografie), vor allem aber mit einer kontrastverstärkten Magnetresonanztomografie (MR-Angiografie) nachweisen. Für die Erkrankung sprechen u. a. ein abschnittsweiser Befall der Arterien und scharf begrenzte Gefäßverschlüsse. Ganz wichtig ist zudem, dass die nicht entzündeten Gefäßabschnitte glattwandig sind, d. h. dass keine allgemeine Arteriosklerose vorliegt (das spräche gegen eine Thrombangiitis obliterans).

Eine 100%ige Diagnose liefert jedoch nur die Biopsie. Die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem betroffenen Gefäß ist allerdings riskant, weil dadurch die ohnehin schon kritische Durchblutung noch mehr gefährdet wird. Deshalb stellt man die Diagnose in der Gesamtschau. Dafür gibt es verschiedene Scoring-Systeme, die die unterschiedlichen Befunde bepunkten. In jedem Fall dürfen für die Diagnose keine anderen Gründe für die Gefäßverschlüsse vorliegen.

Differenzialdiagnosen. Gefäßverschlüsse kommen bei zahlreichen Erkrankungen vor. Sie alle müssen für die Diagnose der Thrombangiitis obliterans ausgeschlossen werden. Die wichtigsten sind die Arteriosklerose, eine diabetische Angiopathie, Thromboembolien und rheumatisch bedingte Vaskulitiden.

Behandlung

Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Durchblutung und dadurch das Vermeiden von (weiteren) Amputationen. Grundvoraussetzung dafür ist die Tabakentwöhnung: Die Patient*in darf in Zukunft weder aktiv noch passiv rauchen. Auch wenn es schwierig ist, diese Maßnahme umzusetzen, sollte die Ärzt*in immer wieder darauf dringen. Denn schon allein der Tabakverzicht senkt Studien zufolge das Amputationsrisiko.

Der Nutzen der weiteren therapeutischen Maßnahmen wird unterschiedlich bewertet. Da die zugrundeliegenden Mechanismen nicht geklärt sind, gibt es keinen heilenden Therapieansatz. Folgende Optionen setzt man einzeln oder auch kombiniert ein:

  • Prostanoide. Diese Wirkstoffe (v. a. das Prostazyklinanalogon Iloprost) erweitern die Gefäße und werden über drei bis vier Wochen täglich direkt in die Vene verabreicht.
  • Endothel-Rezeptor-Antagonisten und Kalziumkanalblocker. Sie erweitern ebenfalls die Gefäße und werden als Tabletten eingenommen.
  • Schmerzmittel. Bei leichteren Schmerzen reichen oft nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen aus. Starke Schmerzen müssen meist mit Opioiden behandelt werden.
  • Blutverdünnung. Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel) oder orale Antikoagulanzien sollen die Blutgerinnung vermindern und die Bildung von Thromben verhindern.
  • Sympathektomie. Dabei durchtrennt die Operateur*in diejenigen sympathischen Nervenfasern, die in der betroffenen Region die Arterien eng stellen. Auf diese Weise fördert man die Weitstellung der Gefäße und die Durchblutung.
  • Rückenmarkstimulation. Ähnlich wie die Sympathektomie wirkt ein eingepflanzter Nervenschrittmacher. Über Nervenimpulse sorgt er durch Abschalten der sympathischen Nervenfasern für eine Erweiterung der Gefäße.
  • Stammzelltherapie. Dieses Verfahren stimuliert die Wundheilung bei chronischen Wunden.
  • Immunadsorption. Dieses eher selten eingesetzte Verfahren ist eine Art Blutwäsche. Dabei soll die Erkrankung durch das Entfernen von Immunzellen aus dem Blut gelindert werden.

Gefäßchirurgische Verfahren und Amputation

Im Falle eines Gefäßverschlusses kann die Chirurg*in mit verschiedenen Techniken versuchen, die Arterie wieder zu öffnen. Bei einem akuten Verschluss gelingt es manchmal, den Thrombus oder Embolus mithilfe eines Katheters zu entfernen oder mit einem Medikament aufzulösen. Bei chronischen Verschlüssen oder Verengungen kann ein Bypass, also eine Umgehung des verschlossenen Gebiets, angelegt werden. Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der gefäßchirurgischen Maßnahmen nicht sehr hoch.

Wenn sich das Gewebe nicht mehr retten lässt, steht die Amputation der betroffenen Gliedmaße an. Häufig reicht eine Minoramputation, d. h. es muss nur eine Zehe oder nur der Teil eines Fingers oder des Vorfußes entfernt werden.

Prognose

Die Lebenserwartung wird durch eine Thrombangiitis obliterans nicht vermindert. Die meisten Betroffenen müssen jedoch im Verlauf mit Amputationen rechnen. Diese Amputationen können die Erwerbsfähigkeit, das soziale Leben und damit die Lebensqualität der Patient*innen erheblich einschränken.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Nikotinentwöhnung. Die allerwichtigste Maßnahme ist der Tabakverzicht. Da auch Passivrauchen eine Thrombangiitis vorantreibt, sollten rauchende Familienmitglieder ebenfalls mit dem Konsum aufhören. Nikotinersatzprodukte wie Pflaster, Kaugummis und Sprays oder verschreibungspflichtige Medikamente können dabei helfen. Die besten Ergebnisse werden mit strukturierten und psychologisch geführten Gruppenentwöhnungsprogrammen erzielt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet zur Unterstützung ein kostenloses Ausstiegsprogramm an (Link zum Zugang unter "Weiterführende Informationen").

Schutz vor Kälte. Nässe und Kälte stressen und verengen die Gefäße zusätzlich. Hände und Füße sollten deshalb immer möglichst warm und trocken gehalten werden.

Verletzungen vermeiden. Betroffene sollten darauf achten, dass es an Fingern oder Zehen gar nicht erst zu Verletzungen kommt. Besondere Vorsicht geboten ist z. B. bei der Nagelpflege. Wenn möglich, sollten Mani- und Pediküre professionell durchgeführt werden. Wunden an Händen und Füßen sind sofort zu desinfizieren und gut zu beobachten. Im Fall einer Infektion muss man unverzüglich die Ärzt*in aufsuchen, da schwer heilende Geschwüre und der Verlust von Gewebe drohen.

Passendes Schuhwerk. Wichtig sind gut passende Schuhe, die die Füße vor Druck schützen. Dadurch lassen sich Geschwüre verhindern. In manchen Fällen ist es sinnvoll, sich orthopädisches Schuhwerk anpassen zu lassen.

Weiterführende Informationen

Das Ausstiegsprogramm der BZgA für Raucher findet sich hier.

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 12:08 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.