Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis)

Mann liegt im Bett und hält sich die Ohren zu. Auch Stress und Erschöpfung können zu Hyperakusis führen.
mauritius images / Westend61 / Tanya Yatsenko
Auch bei Überforderung und Erschöpfung erscheinen viele Geräusche plötzlich lauter.

Die Begriffe Lärm- und Geräuschüberempfindlichkeit beinhalten verschiedenartige Phänomene. Bei der Innenohrschwerhörigkeit führt z. B. ein fehlender Lautheitsausgleich (Recruitment) zum scheinbar paradoxen Phänomen, dass der Betroffene relativ leise Geräusche nicht versteht, auf lautere jedoch überempfindlich reagiert. Menschen mit einer Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) im engeren Sinn empfinden trotz eines gesunden Hörorgans Geräusche normaler Lautstärke als unangenehm, da ihr Gehirn störende, akustische Signale nicht auszublenden vermag. Bei Patient*innen mit einer Phonophobie (Geräuschangst) steigern sich die negativen Reaktionen auf Geräusche zu panischer Angst. Meist sind es nur bestimmte Geräusche, die eine solche Überreaktion auslösen, z. B. Maschinenlärm bei Kindern.

Beschwerdebilder, ihre Ursachen, Maßnahmen und Selbsthilfe

Zunehmende Lärmempfindlichkeit und Schwerhörigkeit bei älteren Menschen

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen In die HNO-Praxis

Plötzliche Lärmüberempfindlichkeit mit Schwerhörigkeit und Ohrenklingeln (Tinnitus)

Ursache:

Begleitsymptom von Innenohrerkrankungen wie

Maßnahme:

  • Am selben Tag in die hausärztliche oder HNO-Praxis

Lärmüberempfindlichkeit mit allgemeiner Nervosität

Ursachen:

Maßnahmen:

  • Bei neuem Auftreten in den nächsten Wochen in die hausärztliche Praxis
  • Bei PMS zur Gynäkolog*in

Selbsthilfe:

  • Geräusche nicht bewusst meiden
  • Entspannungsverfahren

Überempfindlichkeit nur auf bestimmte Geräusche; mit Angst verbunden

Ursache:

  • Phonophobie (Geräuschangst) als Form einer Phobie (irrationale Furcht)

Maßnahme:

  • Bei Bedarf in die neurologische, psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis

Lärmüberempfindlichkeit mit Kopfschmerzen und Übelkeit

Ursache:

Selbsthilfe:

  • Hinlegen in einem ruhigen Raum

Lärmüberempfindlichkeit mit Kopfschmerzen und Fieber; Nackensteife; oft Bewusstseinstrübung

Ursache:

Maßnahme:

  • Notärzt*in rufen oder in die nächste Klinik

Lärmüberempfindlichkeit mit einseitiger Gesichtslähmung

Ursachen:

  • Idiopathische Gesichtslähmung
  • Ohrspeicheldrüsenkrebs (seltener, meist gutartiger Tumor der Ohrspeicheldrüse; da der Gesichtsnerv direkt in der Ohrspeicheldrüse verläuft, führt der Tumor meist zur einseitigen Gesichtslähmung; vor dem Ohr ist ein derber Knoten oder eine Schwellung tastbar)

Maßnahme:

  • Am selben Tag in die hausärztliche oder neurologische Praxis

Lärmüberempfindlichkeit bei veränderten oder abnormen Wahrnehmungen

Ursachen:

Maßnahme:

  • Wenn keine Drogen im Spiel sind, am selben Tag in die hausärztliche oder neurologische Praxis

Ihre Apotheke empfiehlt

Gehör schützen.

Lärm bedeutet Stress für das Sinnesorgan Ohr, wobei Lärm alle als störend wahrgenommenen, lauten Geräusche umfasst. Interessanterweise empfinden viele Menschen Geräusche, die sie mögen (z. B. Musik der Lieblingsband) auch bei großer Lautstärke nicht als Lärm.

Eine Schädigung des Gehörs droht bei längerfristigem Lärm ab einer Lautstärke von 85 Dezibel. Ab 120 Dezibel kann bereits eine punktuelle Lärmbelastung, z. B. ein Schussknall, Hörschäden auslösen. Zum Vergleich: Ein Staubsauger erreicht bis zu 70 Dezibel, eine Kreissäge bis zu 100 Dezibel und Konzert- oder Discomusik bis zu 110 Dezibel. Ein Schussknall hat eine Lautstärke von bis zu 160 Dezibel. Es ist empfehlenswert, starke Lärmbelastung so kurz wie möglich zu halten bzw. Ohrstöpsel oder Gehörschutz zu tragen. Übrigens: entgegen dem Gefühl der meisten Menschen gewöhnt sich zwar das Gehirn im Laufe der Zeit an eine andauernde Lärmbelastung, aber nicht das Sinnesorgan Ohr. Tausende von Untersuchungen etwa haben den schädlichen Effekt von nächtlichem Verkehrslärm auf die Gesundheit nachgewiesen – auch dann, wenn die Betroffenen den Lärm gar nicht mehr als störend wahrnehmen.

Stille zur richtigen Zeit.

Besonders nach einer lauten Phase wie einem Musikfestival, einer Feier oder geräuschintensiver Arbeit mit Maschinen braucht das Ohr Zeit zur Regeneration und Entspannung (siehe unten). Allerdings ist Stille nicht immer gut und gesund: Nach einem Hörsturz empfehlen Expert*innen absolute Stille zu vermeiden. Der Grund ist, dass ein Innenohr, das (fast) keine Schallreize mehr empfängt, selbst ein Grundrauschen produziert - was der Betroffene besonders bei einem geschädigten Innenohr als störenden Tinnitus (Ohrenklingeln) wahrnimmt.

Dass Stille nicht optimal ist, bestätigen auch die meisten Tinnituspatient*innen: Eine geräuschlose Umgebung verstärkt das störende Geräusch. Hilfreicher sind in solchen Fällen z. B. leise rhythmische Musik oder gleichförmige Hintergrundgeräusche wie ein tickender Wecker oder leiser Straßenverkehr.

Entspannen und Abschalten.

Das Sinnesorgan Ohr lässt sich nie ausschalten – im Gegensatz zu den Augen. Entscheidend dafür, dass wir trotz Nebengeräuschen und schnarchender Partner*in schlafen können, ist die Reizverarbeitung im Gehirn. Vor allem das Zwischenhirn reduziert die Reizmenge aus den beiden Innenohren um über 99 %. Damit dieser Filter Zwischenhirn nicht überfordert wird, braucht er immer wieder Ruhepausen – konkret körperliche und seelische Erholungsphasen. Bleiben diese über Wochen und Monate aus, und prägen Sorgen, belastende Beziehungen oder gar das Gefühl der Ausweglosigkeit den Alltag, droht ein Hörsturz oder Tinnitus.

Was zur Entspannung im Alltag beiträgt, muss jeder selbst ausprobieren. Hilfreich sind beispielsweise Techniken wie autogenes Training, Yoga und progressive Muskelentspannung sowie Massagen oder körperliche Bewegung. Hinzu muss aber auch die Bereitschaft kommen, Probleme im Job, Privatleben oder der eigenen Gesundheit wirklich zu lösen, selbst wenn dies zunächst einmal Zeit und Opfer kostet.

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel; Sektion "Ihre Apotheke empfiehlt": Dr. med. Arne Schäffler; Miriam Knauer | zuletzt geändert am um 15:35 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.