Neben der klassischen schulmedizinischen Schmerzbehandlung mit Medikamenten plus Physiotherapie gibt es eine Reihe von nichtmedikamentösen Verfahren, die helfen können, akute und vor allem chronische Schmerzen zu lindern. Typische Beispiele sind Entspannungsverfahren und Akupunktur, aber auch manuelle Therapien wie die Osteopathie.
Alternativen Schmerztherapien werden häufig bei Patient*innen eingesetzt, denen Schmerzmedikamente nicht oder nicht ausreichend geholfen haben oder die auf Dauer keine Arzneimittel einnehmen möchten. Die Mehrzahl der Methoden lässt sich auch problemlos mit der schulmedizinischen Schmerzbehandlung kombinieren.
Die meisten der nachfolgend geschilderten Verfahren sind nachgewiesen („evidenzbasiert“) wirksam, trotzdem werden die Kosten nicht immer von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die nachgewiesene Wirkung bezieht sich teilweise nur auf bestimmte Schmerzsyndrome – etwa des Rückens. Aber auch, wenn ein Wirksamkeitsnachweis noch aussteht, sind die alternativen Methoden oft einen Versuch wert. Insbesondere bei schmerzhaften Bewegungseinschränken sollte aber eine Ärzt*in hinzugezogen werden, um sicherzugehen, dass sich die Therapie für das persönliche Beschwerdebild eignet.
Insgesamt helfen alternative Schmertherapien den Betroffenen häufig nachhaltig, besser mit ihren chronischen Schmerzen umzugehen. So reduzieren sich Stress und Muskelanspannung, was sich wiederum positiv auf die Schmerzen auswirkt. Aus diesem Grund werden diese „alternativen“ Schmerztherapien heute auch von vielen „schulmedizinischen“ Schmerztherapeuten im Sinne eines ganzheitlichen Therapiekonzepts empfohlen und verordnet.
Zu den wichtigsten Vertretern zählen:
Akupunktur. Die Akupunktur wird im Westen vor allem für chronische Schmerzzustände eingesetzt, wie etwa Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen sowie Rheuma und andere Gelenkbeschwerden. Dass die Akupunktur wirksam ist, ist unbestritten und in vielen Studien mit großen Patientenzahlen wissenschaftlich sauber dokumentiert. Allerdings profitieren nicht alle Patient*innen davon, bei tumorbedingten Schmerzen etwa wirkt die Akupunktur oft nicht oder nur schwach. Ihre genaue Wirkweise ist noch immer unklar. Man geht davon aus, dass die Nadelung die Reizleitung des Nervensystems beeinflusst, indem sie an den Nervenendungen in der Haut Überträgerstoffe (Transmitter) freisetzt und dadurch auch die Fortleitung von Schmerzimpulsen hemmt. Aber auch Wirkungen am zentralen Nervensystem, also am Gehirn und im Rückenmark, sind nachgewiesen – so kommt es bei einer Nadelung zur Ausschüttung körpereigener schmerzunterdrückender Substanzen im Gehirn (Endorphine), und auch die Durchblutung in bestimmten Hirnarealen wird durch eine Akupunktur beeinflusst. Aufgrund dieser vielfältigen Wirkungen ist die Akupunktur Expert*innen zufolge bei chronischen Schmerzerkrankungen wie Spannungskopfschmerzen und Migräne, Kniearthrose sowie Rückenschmerzen eine Alternative zur klassischen Schulmedizin und einen Versuch wert. Mehr zu dazu unter Akupunktur.
Biofeedback. Beim Biofeedback wandeln elektrische Geräte Körperfunktionen wie Puls, Muskelspannung, Hauttemperatur oder auch Hirnströme in sichtbare Signale auf einem Computerbildschirm um. Hinzu kommen manchmal zusätzlich akustische Rückkopplungen. Der Betroffene lernt dadurch zu erkennen, wann er entspannt ist und wie er diese Entspannung durch Autosuggestion erreichen kann. Biofeedback stärkt so die Kontrolle der Schmerzpatient*innen über ihren Körper. Eingesetzt wird es bei Migräne und Spannungskopfschmerzen, aber auch bei Schmerzen des Bewegungsapparates, bei Fibromyalgie, unspezifischen Rückenschmerzen sowie bei Angststörungen. Leider profitiert nicht jede Betroffene vom Biofeedback. So ist die Methode bei schweren Schmerzsymptomen nicht geeignet. Eine ausführliche Beschreibung der Methode finden Sie unter Biofeedback.
Manuelle Therapien. Zu diesen Verfahren, bei denen buchstäblich Hand an die Patient*in gelegt wird, gehören die Chiropraktik, die Osteopathie und auch die klassische Massage. Durch bestimmte Griffe oder auch mit Zug und Druck auf die Haut und die darunter liegenden Strukturen löst die Therapeut*in Verspannungen und Blockaden im Stütz- und Bewegungsapparat der Behandelten. Vor allem Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, aber auch rheumatische Beschwerden lassen sich mithilfe dieser manuellen Therapien behandeln. Besonders bei der klassischen Massage, aber auch bei den anderen genannten Therapien, hält die schmerzlindernde Wirkung leider oft nur wenige Tage an. Die Kosten für manuelle Therapien werden zum Teil von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Transkutane elektrische Nervenstimulation. Hier werden elektrische Impulse gegen die Schmerzen eingesetzt. Die neben oder auf dem schmerzenden Areal aufgeklebten Elektroden geben leichte Stromstöße ab und reizen damit die schmerzleitenden Nervenfasern. Dadurch soll sich die Reizleitung der Nerven normalisieren und auf lange Sicht hin der Schmerz abnehmen. Bewährt hat sich die TENS bei Spannungskopfschmerzen und Migräne.
Physikalische Maßnahmen. Auch Wärme und Kälte haben ihren Platz in der Schmerztherapie. Fango, Infrarot und Wärmeflaschen lösen muskuläre Verspannungen und lindern dadurch Schmerzen. Kälteanwendungen helfen wiederum bei entzündlichen Prozessen, z. B. bei Gelenkschmerzen. Nachteil dieser sog. passiven Verfahren – „passiv“ sind sie, weil die Patient*in nicht aktiv mitarbeitet – ist die in der Regel nur vorübergehende schmerzlindernde Wirkung. Nachhaltiger wirken zumeist …
aktive physiotherapeutische Übungen („Krankengymnastik“), die individuell auf die Patient*in abgestimmt werden und die dieser dann zu Hause regelmäßig durchführen kann. Sie entspannen und lösen einerseits verkrampfte Muskelpartien, kräftigen aber auch die Haltemuskulatur an Schulter, Nacken und Rücken und beugen so neuen Verspannungen vor. Physiotherapie ist regelmäßig auch Teil der – guten – schulmedizinischen Schmerztherapie, gerade bei muskulären Spannungsschmerzen an Schulter, Nacken und Rücken sowie Hüft- und Kniebeschwerden.
Entspannungsverfahren. Vor allem Rücken- und Kopfschmerzen lassen sich mit Entspannungsverfahren behandeln. Besonders häufig empfohlene Methoden sind das Autogene Training, die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (kurz PM) und die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (mindfulness-based stress reduction – MBSR). Beim autogenen Training werden mithilfe einer monotonen Autosuggestion äußere Reize ausgeblendet und das vegetative Nervensystem „heruntergefahren“, wodurch sich Stress und Verkrampfungen lösen. Die Progressive Muskelrelaxation führt zur Entspannung, indem einzelne Muskelgruppen bewusst für etwa 30 Sekunden maximal anspannt und dann wieder komplett entspannt werden. Die Progressive Muskelrelaxation ist rasch zu erlernen, während Verfahren wie das Autogene Training in der Regel 3 bis 6 Wochen geübt werden müssen, bis sich eine eindeutige Schmerzlinderung einstellt.
Patienten, die Entspannungsverfahren eingeübt haben, berichten häufig, dass der Schmerz „an sich“ gleichgeblieben sei, er aber jetzt viel weniger belaste. Kann man sich diese Methoden selbst beibringen? Theoretisch ja, es ist aber in der Praxis keine gute Idee: schneller und erfolgreicher geht es mit entsprechenden Kursen, die in allen größeren Städten regelmäßig angeboten werden. Die Kosten dafür übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen gerne.
Yoga und Alexander-Technik. Chronische Rückenschmerzen lassen sich zudem mithilfe individuell ausgewählter Yoga-Übungen sowie der Alexander-Technik angehen. Bei der Alexander-Technik analysiert ein Trainer Haltung und Bewegungsabläufe des Patienten und zeigt ihm, wie er eine entspanntere und freiere Körperhaltung einnehmen kann. Beide Techniken eignen sich weniger bei sehr starken chronischen Schmerzen.
Hypnose. Bei der medizinischen Hypnose (auch Klinische Hypnose oder Hypnotherapie genannt) versetzt der Psychotherapeut den Patienten in eine Tiefenentspannung, damit er Alles loslassen kann. Dieses Loslassen bewirkt häufig, dass chronische Schmerzen schwächer werden. Außerdem entwickelt der Patient gemeinsam mit dem Therapeuten unter Hypnose innere Bilder, die er dem Schmerz entgegensetzen kann oder die ihn vom Schmerzgeschehen ablenken. Er kann auch lernen, sich selbst in eine Art Trance zu versetzen und die erarbeiteten inneren Bilder zur Schmerzbewältigung aufzurufen (Selbsthypnose). Die Wirkung der medizinischen Hypnotherapie ist wissenschaftlich anerkannt. Sie bewirkt für manche Patienten wahre Wunder – während sie anderen nur wenig oder gar nicht hilft. Auch sollte die Hypnotherapie immer in eine „sprechende“ Psychotherapieform wie z. B. eine Verhaltenstherapie oder eine tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie eingebettet sein.