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Mangelernährung

Mangelernährung: Unter- oder Fehlernährung, bei der die bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffzufuhr nicht (mehr) gewährleistet ist. Im Extremfall kommt es zur körperlichen Auszehrung (Kachexie) und zum Kräfteverfall des Betroffenen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 1,5 Millionen der über 60-Jährigen unter chronischer Mangelernährung leiden.

Leitbeschwerden

  • Einseitige Essgewohnheiten (z. B. nur noch Tütensuppen oder Toastbrot)
  • Appetitlosigkeit (Auslassen oder Ablehnen von Mahlzeiten)
  • Gewichtsabnahme
  • Eingefallenes Gesicht und knochige Hände
  • Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit und Erschöpfung
  • Infektanfälligkeit (Schwächung des Immunsystems)
  • Brüchige und stark gerillte Fingernägel (Hinweis auf Eisen- oder Vitaminmangel)
  • Weißgetüpfelte Fingernägel (Hinweis auf Kalziummangel).

Die Erkrankung

Fehl- und Mangelernährung sind zu einer der häufigsten, aber am wenigsten beachteten Krankheiten im Alter geworden. Laut einer Ernährungsstudie waren rund 60 % der über 75-jährigen Patienten bei Aufnahme in ein Krankenhaus unterernährt. Da die Übergänge von ungesundem Essverhalten zur Mangelernährung meist schleichend sind, wird die Krankheit von den Betroffenen, den Angehörigen oder dem Pflegepersonal oft nicht rechtzeitig wahrgenommen. Die quantitative Mangelernährung, bei der insgesamt zu wenig gegessen wird, macht sich nach einiger Zeit durch Gewichtsabnahme bemerkbar. Bei der qualitativen Mangelernährung handelt es sich meist um eine zu einseitige Ernährung, die nicht zwangsläufig mit Gewichtsverlust einhergeht. Vielmehr wird aufgrund der unausgewogenen Nahrungszusammensetzung der Bedarf an bestimmten Nährstoffen nicht gedeckt.

Es gibt viele Gründe, die dazu beitragen, dass ältere Mensche über Monate oder Jahre hinweg zu wenig nährstoffreiche Nahrung zu sich nehmen:

  • Durch die Abnahme der Geschmacksknospen auf der Zunge verändert sich im Alter das Geschmacksempfinden. Das kann z. B. dazu führen, dass alte Menschen die Geschmacksrichtung „süß“ besonders gut wahrnehmen und dementsprechend nur Süßes zu sich nehmen (wollen).
  • Durch das veränderte Beiß- und Kauvermögen wird das Essen anstrengender. In der Folge stehen gut schluckbare Lebensmittel wie Milchbrei, Fertigsuppen, Pudding oder Weißbrot ganz oben auf dem Speisezettel.
  • Fehlende Sozialstruktur: Viele alte Menschen leben allein und haben häufig kein Interesse, für sich selbst einzukaufen und zu kochen.
  • Vergesslichkeit: Viele alte Menschen haben keine feste Tagesstruktur und vergessen einfach, regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen.
  • Essensvorlieben und -verhaltensweisen ändern sich nicht mehr im Alter. Das wird vor allem im Heim zum Problem. Nicht selten reagiert der Betroffene mit Nahrungsverweigerung.
  • Verwitwete haben nach dem Tod ihres Partners Probleme, nur noch für einen zu kochen (Frauen) bzw. für sich selbst zu sorgen (Männer).

Ihre Apotheke empfiehlt

Einen Angehörigen vor Mangelernährung zu bewahren, erfordert Fingerspitzengefühl. Es gibt keine Standardrezepte, wann im Einzelfall kurzfristig interveniert und wann besser gewartet werden soll. Deshalb sind die folgenden Hinweise in der Praxis auch nicht direkt umsetzbar, wohl aber umfassen sie die Punkte, an die es zu denken gilt:

Appetitlosigkeit.

Gemeinsam schmeckt es besser. Menschen, die allein essen müssen, verlieren schnell den Appetit. Der Genuss am Essen steigt, wenn Mahlzeiten gemeinsam vorbereitet und eingenommen werden.

Wünsche erfragen und Bedürfnisse berücksichtigen. Jeder Mensch hat nicht nur Lieblingsspeisen und -getränke, sondern auch jahrelang „erprobte“ Essgewohnheiten und Abneigungen. Oft kann es mit ein wenig Geduld gelingen, durch Lieblingsspeisen die Lust am Essen wieder zu aktivieren.

Bewegen! Appetitlosigkeit ist oft auf Bewegungsmangel zurückzuführen. Durch körperliche Aktivität werden Stoffwechsel und Verdauung angeregt. Auch bei älteren Menschen, die sich nicht mehr selbstständig bewegen können oder einfach viel Zeit in ihrer Wohnung verbringen, wirkt ein tägliches Mindestmaß an körperlicher Aktivität manchmal Wunder.

Auch säuerliche Speisen oder Säfte und Zitrusfrüchte regen den Appetit an. Grundsätzlich gilt: Lieber fünf bis sechs kleine Mahlzeiten einnehmen als drei große. Üppige Mahlzeiten belasten unnötig die Verdauungsorgane und somit das Herz-Kreislauf-System.

Kau- und Schluckbeschwerden.

Kauprobleme sind häufig darauf zurückzuführen, dass die Zahnprothese nicht mehr fest sitzt, weil der Kiefer im Alter schrumpft. Der Zahnarzt kann hier helfen. Kauprobleme sollten kein Grund sein für ausschließlich weiche oder breiige Nahrung. Oft reicht es, z. B. harte Brotrinde zu entfernen, statt Toastbrot zu essen. Um das Kauen zu erleichtern, kann die Nahrung auch zerkleinert werden, ein geschälter und klein geschnittener Apfel z. B. schmeckt auch alten Menschen gut und enthält viel wichtiges Vitamin C.

Menschen mit Schluckbeschwerden müssen beim Essen aufrecht sitzen. Um sich nicht zu verschlucken, sollte man erst trinken, wenn der Mund leer von Essensresten ist. Auf (zu) feste Nahrung sollte verzichtet werden, stattdessen können pürierte Speisen und Getränke mit Dickungsmitteln (z. B. Johannisbrotkernmehl) an die Bedürfnisse des Kranken angepasst und löffelweise gegeben werden. Gesund und nährstoffreich sind z. B. auch Kefir, Buttermilch, frisch gepresste Säfte (Obst und Gemüse), mit Joghurt pürierte Früchte oder Cremesuppen. Aber auch in Apotheken erhältliche Trink- und Zusatznahrung (z. B. Biosorb®, Clinutren 1.5®) kann bei Gefahr einer Mangelernährung durch Schluck- und Kaubeschwerden helfen.

Bei Menschen mit extremen Schluckstörungen besteht die Gefahr, dass sie sich z. B. bei zu schneller Nahrungszufuhr lebensbedrohlich verschlucken und ersticken. Die Ursachen für Schluckstörungen sollten auf jeden Fall medizinisch geklärt werden. Logopäden bieten ein Schluck- und Kautraining an.

Nährstoffmangel.

Bei Übergewicht sollte die Ernährung so schnell wie möglich auf nährstoffreiche Lebensmittel umgestellt, kohlenhydrat- und fettreiche Nahrung hingegen vermieden werden. Nährstoffreich ist eine ausgewogene Mischkost mit reichlich Getreideprodukten, Kartoffeln, Obst und Gemüse, Milchprodukten, Geflügel und Fisch. Auf übermäßigen Genuss von Fleisch und Wurst, Eiern, süßen und fettreichen Lebensmitteln (Sahnetorten) sollte man verzichten.

Manche Experten empfehlen älteren Menschen, generell auf fettarme Nahrungsmittel auszuweichen, doch ist die Low-Fat-Strategie inzwischen umstritten. Deshalb können ältere Menschen essen, was ihnen schmeckt, und wenn es der Sahnequark auf dem Brötchen und die Obsttorte am Wochenende ist. Aber die Qualität und die Ausgewogenheit der Lebensmittel sollte im Mittelpunkt stehen.

Ist der Betroffene untergewichtig, benötigt er nährstoff- und energiereiche Nahrung. Wenn das mit normaler Ernährung nicht ausreichend möglich ist, sollte der Patient unter ärztlicher Aufsicht energie- oder eiweißreiche Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Der Energiegehalt der Nahrung lässt sich aber auch mit Hilfe von Butterflocken, z. B. in der Milchsuppe oder im Pudding, erhöhen; auch Sahnespeisen oder Hühnerbrühe sind gute Energielieferanten. Darüber hinaus bieten Apotheken geschmacksneutrale Pulver zur Anreicherung von Speisen und Getränken an (z. B. Clinutren Additions®). Meistens genügt die Einnahme dieser Mittel über wenige Wochen, bis sich das Gewicht des Betroffenen stabilisiert hat.

Einkaufsprobleme.

Erkundigen Sie sich nach offenen Mittagstischen von Sozialeinrichtungen oder Pflegeheimen in Ihrer Nähe. Für Menschen, die sich nicht mehr selbstständig aus der Wohnung bewegen können, bietet sich „Essen auf Rädern“ an. Die meisten großen Supermärkte verfügen heutzutage über einen Einkaufsdienst, der Lebensmittel nach Hause liefert.

Spezialbecher oder -bestecke,

die es im Sanitätshaus gibt, können die Zubereitung und Aufnahme von Nahrung und Getränken bei einigen Erkrankungen oder Behinderungen erleichtern, z. B. bei der Parkinson-Krankheit.

Künstliche Ernährung.

Wenn die selbstständige Ernährung nicht mehr möglich ist, wird der Arzt eine künstliche Ernährung in Betracht ziehen, z. B. durch eine PEG-Sonde. Mit entsprechender Unterstützung durch Pflegekräfte kann diese Ernährung auch zu Hause durchgeführt werden. Vor- und Nachteile sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Vorsorge

Nährstoffbedarf. Es ist ein Irrglaube, dass der Körper im Alter weniger Nahrung benötigt. Nur der Energieumsatz sinkt, das heißt, der Körper braucht weniger Fette und Kohlenhydrate, aus denen er Energie gewinnt. So sinkt der Kalorienbedarf im Alter um rund 500 Kalorien (kcal) oder etwa eine halbe Tafel Schokolade. 1 800 kcal für Frauen und 2 300 kcal für Männer empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Senioren. Der Bedarf an Eiweiß, Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen hingegen bleibt unverändert und steigt bei chronischen Krankheiten sogar an. Daher sollten alte Menschen vor allem Nahrungsmittel mit hoher Nährstoff- und geringer Kaloriendichte wie z. B. magere Fleisch- und Käsesorten, Quark, Gemüse und Vollkornprodukte essen.

Weiterführende Informationen

  • www.dsl-mangelernaehrung.de – Deutsche Seniorenliga e. V., Bonn: Übersichtlich gestaltete Internetseite mit vielen Praxistipps und Broschüren zum Herunterladen.
  • www.dgem.de – Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V., Berlin: Fachärztliche Leitlinien zur (enteralen) Ernährung und zum Energiebedarf im Alter. Auch zum Herunterladen als PDF.
  • M. M. Schreier; S. Bartholomeyczik.: Mangelernährung bei alten und pflegebedürftigen Menschen. Schlütersche, 2004. Aufgegriffen werden psychologische Zusammenhänge und Risikofaktoren, die eine Mangelernährung birgt. Hilfreich für Pflegende.

Autor*innen

Ruth Mamerow, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski | zuletzt geändert am um 16:01 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.