Nervosität und Reizbarkeit

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Wer ständig aus der Haut fährt, sollte sich nach der Ursache für sein Verhalten fragen.

Nervosität lässt sich beschreiben als quälendes Gefühl der Angespanntheit und inneren Getriebenheit, oft verbunden mit Reizbarkeit und körperlicher Unruhe. Unkonzentriertheit, Vergesslichkeit und Denkblockaden können hinzutreten. Wie sich Nervosität im Einzelfall äußert, hängt weniger von ihrer Ursache ab als vielmehr vom Charakter des Betroffenen: Introvertierten (in sich gekehrten) Menschen gelingt es oft, ihre innere Unruhe zu verbergen, während Extrovertierte ihre Anspannung meist ausleben und an ihrer Umwelt abreagieren.

Begleitet wird Nervosität meist von typischen Stressreaktionen wie Herzklopfen, Zittern der Hände oder Muskelanspannung. Manchmal entwickeln sich sogar Stresskrankheiten mit körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, Reizdarm oder chronischen Schlafstörungen. Solche Folgen finden sich häufig bei Nervosität, die durch länger anhaltende seelische Belastungen, dauernde Überforderung oder Lärmbelastung verursacht wird. Gefährdet sind v. a. Menschen, die sich auch selbst ständig unter Druck setzen und nicht entspannen können. Kommt es dabei zu Schlafstörungen, verstärkt die zunehmende Übermüdung die nervösen Erscheinungen – ein Teufelskreis der Nervosität.

Eine lange Phase erhöhter Reizbarkeit machen die meisten Menschen in ihrer Pubertät durch, u. a. als Reaktion auf die hormonelle Umstellung. Die extremen Stimmungsschwankungen sind manchmal nicht leicht von einer Depression oder den Folgen eines jugendlichen Drogen- oder Alkoholmissbrauchs zu unterscheiden. Eine dauernde Übererregbarkeit, Unkonzentriertheit und Impulsivität bei Kindern und Jugendlichen ist typisch für das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Kommt übermäßiger Bewegungsdrang (Hyperaktivität) dazu, spricht man von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

Beschwerdebilder, ihre Ursachen, Maßnahmen und Selbsthilfe

Nervosität und Reizbarkeit bei seelischer Belastung, Überforderung, Dauerlärm; oft Müdigkeit, Erschöpfungsgefühl; oft Schlafstörungen; evtl. körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Durchfall

Ursachen:

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Hausärzt*in, wenn körperliche Beschwerden dazukommen

Selbsthilfe:

  • Ausreichend Schlaf
  • Entspannungsverfahren
  • Stressmanagement
  • Regelmäßige Bewegung
  • Johanniskrautpräparate nach Absprache mit der Ärzt*in

Nervosität und Reizbarkeit bei erheblichem Schlafmangel oder Schlafstörungen; meist erhebliche Konzentrationsstörung; oft leichte Übelkeit, Schwindel

Ursachen:

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Hausärzt*in, wenn die Folgen von Schlafstörungen Ihr tägliches Leben beeinträchtigen

Selbsthilfe:

  • Bewegung vor dem Schlafen
  • Entspannungsverfahren
  • Bäder mit Melissenöl
  • Pflanzliche Präparate mit Baldrian, Hopfen oder Passionsblume

Nervosität, Reizbarkeit und Kopfschmerzen bei bestimmten Wetterlagen (z. B. Föhn) oder Wetterumschwung

Ursachen:

Selbsthilfe:

  • Organismus abhärten durch Sport, Sauna und Kneippanwendungen (Wechselbäder)
  • Auf regelmäßigen Tagesrhythmus achten
  • Bei entsprechendem Wetter auf Alkohol und Rauchen verzichten

Nervosität und Reizbarkeit bei Hunger

Ursache:

Reaktion auf Nährstoffmangel, z. B. bei

Selbsthilfe:

  • Bei Schulkindern und Jugendlichen auf regelmäßiges Essen achten, da oft schon Nahrungspausen von 5–6 Stunden zu Reizbarkeit führen

Nervosität und Reizbarkeit vor der Monatsblutung; Schlafstörungen; oft unkontrolliertes Weinen

Ursache:

Maßnahme:

  • Bei Gelegenheit zur Gynäkolog*in oder Hausärzt*in

Selbsthilfe:

  • Entspannungsverfahren
  • Präparate mit Agnus Keuschlammfrüchten

Reizbarkeit und extreme Stimmungsschwankungen bei Jugendlichen

Ursachen:

Maßnahme:

  • Zur Kinder- oder Hausärzt*in, wenn zusätzlich Beschwerden wie dauernde Traurigkeit, Aggressivität oder Essprobleme auftreten

Reizbarkeit, Unruhe und Konzentrationsstörungen bei Kindern; leichte Ablenkbarkeit; oft Neigung zu Wutausbrüchen und/oder Aggressivität; oft ausgeprägter Bewegungsdrang (Hyperaktivität, "Zappelphilipp")

Ursachen:

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Kinder- bzw. Hausärzt*in

Selbsthilfe:

  • Geregelter Tagesablauf, ausreichend Schlaf
  • Feste und konsequente Regeln, viel Lob
  • Ruhige Umgebung
  • Ausreichend Bewegung

Nervosität und Unruhe mit Händezittern, Schwitzen und Gewichtsverlust

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in

Reizbarkeit und Erregungszustände mit zunehmender Vergesslichkeit und Verwirrtheit

Ursache:

Chronische organische Psychose, z. B.

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Hausärzt*in

Nervenzusammenbruch mit haltlosem Weinen, anfallartigem Schreien, Toben, Zittern; oft ohne oder aus nichtigem Anlass; oft wiederholt auftretend

Ursachen:

Maßnahme:

  • Am selben Tag zur Hausärzt*in, Nervenärzt*in oder Psychiater*in

Nervosität, Unruhe und Reizbarkeit bei starken Raucher*innen und Kaffeetrinker*innen; evtl. Schlafstörungen

Ursachen:

  • Überdosierung von Koffein oder Nikotin bei ungewöhnlich hohem Zigaretten- oder Kaffeekonsum
  • Entzugsbeschwerden bei Nikotinabhängigkeit

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in, wenn Sie Hilfe bei der Raucherentwöhnung brauchen

Selbsthilfe:

  • Nichtraucherkurse
  • Nikotinersatz mit Pflastern, Kaugummi oder Tabletten

Nervosität, Unruhe und Reizbarkeit bei Alkohol-, Drogen- oder Tablettenmissbrauch; häufig Aggressivität; manchmal Halluzinationen

Ursache:

Häufige Wirkung, Nachwirkung und Entzugsbeschwerden bei

Maßnahmen:

  • Bei Auftreten von Halluzinationen am selben Tag zur Hausärzt*in oder Psychiater*in
  • Sonst in den nächsten Tagen

Nervosität, Unruhe und Reizbarkeit bei Medikamenteneinnahme

Ursache:

Nebenwirkung, z. B. von

Maßnahme:

  • Beim nächsten Arztbesuch ansprechen, wenn das Mittel ärztlich verordnet wurde und Sie unter der Nervosität leiden

Selbsthilfe:

  • Bei Selbstmedikation Mittel absetzen

Ihre Apotheke empfiehlt

Entspannungstechniken lernen.

Alltag im Stress lässt sich in aller Regel nicht vollständig vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass Sie lernen, auch in kurzen Ruhepausen zu entspannen. Gut erprobt sind Verfahren wie Yoga, Meditation oder die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen. In sogenannten MBSR-Kursen (Mindfulness Based Stress Reduction) wird gezielt daran gearbeitet, die Achtsamkeit im täglichen Leben zu schulen und erste Stressreaktionen früher wahrzunehmen.

Entspannungsrituale schaffen.

Gönnen Sie sich über den Tag verteilt immer wieder kleine Auszeiten. Finden Sie heraus, was Ihnen hilft, um abzuschalten – etwa kleine Spaziergänge in der Natur, eine heiße Tasse Tee oder ein entspannendes Vollbad. Machen Sie sich dafür feste Termine in ihrem Wochenplaner – ansonsten ist die Gefahr groß, dass Sie die Zeit doch anders nutzen.

Für Bewegung sorgen.

Reizbarkeit und Nervosität entstehen oft, wenn zwar Geist und Psyche auf Hochtouren laufen, der Körper aber unterfordert ist. Ausdauersportarten wie Radfahren und Joggen bauen innere Spannungen ab, die sich durch Stresshormone wie Kortisol und Adrenalin anstauen. Auch Sportarten, bei denen Sie sich richtig abreagieren können, sind geeignet, z. B. Boxen oder Fußball.

Heilpflanzen nutzen.

Viele Heilpflanzen haben eine entspannende Wirkung auf unsere Psyche. Einige Kräuter eignen sich gut für Teezubereitungen, etwa Baldrian, Johanniskraut oder Passionsblume. Pflanzen wie Lavendel gibt es beispielsweise auch als Badezusatz oder in Form von ätherischen Ölen. Praktisch sind zudem Kapseln und Tabletten aus der Apotheke.

Ernährung anpassen.

Gelassenheit ist auch eine Frage der richtigen Ernährung. Versuchen Sie, Ihren Kaffee- und Alkoholkonsum zu reduzieren und auf eine gesunde Ernährung zu achten. Nahrungsmitteln mit Magnesium (z. B. in Bananen und Hülsenfrüchten) und vielen B-Vitaminen (z. B. in Vollkornprodukten) wird ein ausgleichender Effekt auch die Psyche nachgesagt.

Alte Traumata bearbeiten.

Wer in der Vergangenheit dauerhaft psychischem Stress ausgesetzt war oder Traumata erfahren hat, reagiert auch in der Gegenwart deutlich empfindlicher auf Belastungen und Probleme. Eine Psychotherapie kann dann helfen, solche Automatismen zu erkennen und aufzulösen.

Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel; in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Redaktionelle Bearbeitung: Sara Steer

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel; in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Redaktionelle Bearbeitung: Sara Steer | zuletzt geändert am um 12:02 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.