Unsere Sinne bestimmen, was wir als Realität wahrnehmen. Umso verstörender ist es, wenn die eigenen Sinneseindrücke von denen anderer abweichen. Das passiert etwa bei Halluzinationen. Dann werden Sinneseindrücke erlebt, die nicht auf realen Außenreizen beruhen. Bei einerSinnestäuschung wird ein realer Sinneseindruck fehlgedeutet, z. B. ein Busch in der Dunkelheit als kauernde Gestalt wahrgenommen. Eine Wahnvorstellung wiederum ist eine krankhafte, unkorrigierbare Überzeugung, an der Betroffene auch dann festhalten, wenn sie im Widerspruch zum Urteil anderer steht und der Logik widerspricht, z. B. beim Verfolgungswahn. Häufig davon betroffen sind Menschen mit Psychosen oder Demenzerkrankte, die dann beispielsweise ständig das Gefühl haben, bestohlen oder vergiftet zu werden oder zu verarmen.
Halluzinationen können Anzeichen einer schwerwiegenden Erkrankung sein. Menschen, die an Schizophrenie leiden, haben häufig akustische Halluzinationen. Die Wand spricht mit ihnen oder macht Geräusche, Stimmen im Kopf kommentieren meist bösartig das eigene Verhalten. Bei Alkoholkranken oder Menschen im Delirium überwiegen optische Halluzinationen, sie sehen dann beispielsweise die sprichwörtlichen weißen Mäuse. Im Rahmen dieser psychiatrischen Erkrankungen sind Halluzinationen behandlungsbedürftig.
Halluzinationen treten aber auch bei gesunden Menschen auf. Manchmal stecken banale Auslöser dahinter wie Übermüdung. soziale Isolation oder ein längerer Aufenthalt in dunklen, schalltoten Räumen führen ebenfalls zu Halluzinationen, da das menschliche Gehirn nach Reizen verlangt und sich deshalb bei deren Ausbleiben aus seinem eigenen Speicher bedient. Mangel an entsprechender Stimulation ist auch die Ursache dafür, dass sich einsame Menschen oft Gefährten „erfinden“. Dies ist nicht krankhaft und fast schon typisch nach dem Verlust eines geliebten Menschen.
Eine ebenfalls harmlose Variante der Halluzination ist die hypnagoge Halluzination. Dabei handelt es sich um optische oder akustische Trugwahrnehmungen, die ausschließlich während des Einschlafens oder Aufwachens auftreten. Sie haben keinerlei Krankheitswert.
Beschwerdebilder, ihre Ursachen, Maßnahmen und Selbsthilfe
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Halluzinationen (Geräusche, Stimmen oder Gestalten) am Übergang zwischen Wach sein und Schlafen
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Halluzinationen bei ausgeprägtem Schlafmangel oder völliger Erschöpfung
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Halluzinationen bei meditativen Übungen, sozialer Isolation (z. B. Einzelhaft), längerer Aufenthalt in reizarmer Umgebung (z. B. dunkle, ruhige Räume)
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Sehen von Lichtblitzen, Flecken, Mustern, Licht- oder Farbenschein, seltener Bilder oder Szenen
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Hören von nicht vorhandenen Geräuschen oder Stimmen ohne weitere psychische Beschwerden
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Halluzinationen (z. B. kleine Tiere) und Wahnvorstellungen; ängstliche Unruhe oder Erregung; Verwirrtheit, fehlende Orientierung, Gedächtnisstörungen; evtl. Bewusstseinsstörungen; evtl. Schwitzen, Zittern
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Halluzinationen bei bekannter Epilepsie
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Halluzinationen und Wahnvorstellungen mit langsam zunehmender Vergesslichkeit und Verwirrtheit; Angst- und Erregungszustände; Persönlichkeitsveränderungen
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Oft bizarre Wahnvorstellungen und Halluzinationen; kommentierende Stimmen; eigenartige Leibgefühle; sprunghaftes Denken; Gefühl des Gedankenentzugs; bizarres oder desorganisiertes Verhalten
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Quälende Halluzinationen und/oder Wahnvorstellungen mit Niedergeschlagenheit; Antriebsmangel; v. a. Schuld- oder Verarmungswahn
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Angenehme Wahnvorstellungen mit euphorischer Grundstimmung und Umtriebigkeit; typischerweise Größenwahn oder Liebeswahn
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Halluzinationen und Wahnvorstellungen, verbunden mit auffallend weiten Pupillen
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Halluzinationen und Wahnvorstellungen bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch
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Halluzinationen und Wahnvorstellungen bei Medikamenteneinnahme
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Halluzinationen (Geräusche, Stimmen oder Gestalten) am Übergang zwischen Wach sein und Schlafen
Ursache:
- Normale Erscheinung beim Einschlafen und Aufwachen (hypnagoge Halluzinationen)
Maßnahme:
- Keine erforderlich, da harmlos
Halluzinationen bei ausgeprägtem Schlafmangel oder völliger Erschöpfung
Ursachen:
- Normale Reaktion auf fehlende Erholungsphasen
- Reaktion bei Schlafmangel durch akute oder chronische Erkrankung
Selbsthilfe:
- Dem Körper geben, wonach er verlangt – Schlaf und Erholung
Halluzinationen bei meditativen Übungen, sozialer Isolation (z. B. Einzelhaft), längerer Aufenthalt in reizarmer Umgebung (z. B. dunkle, ruhige Räume)
Ursache:
- Normale Reaktion auf fehlende äußere Reize; Sonderformen: spirituelle Ekstase und Visionen
Selbsthilfe:
- Vermeiden von sozialer Isolation, v. a. bei älteren, alleinstehenden Menschen, um Halluzinationen vorzubeugen
Sehen von Lichtblitzen, Flecken, Mustern, Licht- oder Farbenschein, seltener Bilder oder Szenen
Ursachen:
- Migräne mit Aura
- Augenerkrankungen, z. B. Netzhautablösung, Glaskörperabhebung
- Schädigungen von Sehnerv oder Sehzentrum im Gehirn, z. B. durch Schädel-Hirn-Verletzung (SHT), Schlaganfall
- Multiple Sklerose
Maßnahme:
- Bei erstmaligem Auftreten am selben oder nächsten Tag zur Haus- oder Augenärzt*in
Hören von nicht vorhandenen Geräuschen oder Stimmen ohne weitere psychische Beschwerden
Ursachen:
- Tinnitus (Ohrgeräusch, Ohrenklingeln)
- Stimmenhören, z. B. nach dem Verlust einer geliebten Person oder bei sozialer Isolation
- Nicht altersbedingte Gehörlosigkeit oder Taubheit
- Beginnende Schizophrenie
Maßnahme:
- Bei erstmaligem Auftreten am selben oder nächsten Tag zur Hausärzt*in
Halluzinationen (z. B. kleine Tiere) und Wahnvorstellungen; ängstliche Unruhe oder Erregung; Verwirrtheit, fehlende Orientierung, Gedächtnisstörungen; evtl. Bewusstseinsstörungen; evtl. Schwitzen, Zittern
Ursachen:
Akute organische Psychose und Delir bei
- Alkoholentzug
- Hohem Fieber
- Operationen
- Unterkühlung
- Austrocknung (Dehydratation), etwa im hohen Alter
- Schlaganfall
- Gehirnentzündung
- Schädel-Hirn-Verletzung
Maßnahme:
- Sofort zur Hausärzt*in, Psychiater*in oder in die nächste Klinik
Halluzinationen bei bekannter Epilepsie
Ursachen:
- Epilepsie mit einfach-fokalen Anfällen
- Nebenwirkung von Antiepileptika
- Alternativpsychose
Maßnahme:
- Bei Auftreten nach oder zwischen Anfällen am selben Tag, bei zusätzlicher Bewusstseinstrübung sofort zur Hausärzt*in, zur Neurolog*in oder in die Klinik
Halluzinationen und Wahnvorstellungen mit langsam zunehmender Vergesslichkeit und Verwirrtheit; Angst- und Erregungszustände; Persönlichkeitsveränderungen
Ursache:
Chronische organische Psychose, z. B.
- Alzheimer-Demenz
- Vaskuläre Demenz (gefäßbedingte Demenz)
- Huntington-Krankheit
Maßnahme:
- In den nächsten Wochen zur Hausärzt*in
Oft bizarre Wahnvorstellungen und Halluzinationen; kommentierende Stimmen; eigenartige Leibgefühle; sprunghaftes Denken; Gefühl des Gedankenentzugs; bizarres oder desorganisiertes Verhalten
Ursache:
Maßnahme:
- Sofort zur Hausärzt*in oder in eine psychiatrische Ambulanz
Quälende Halluzinationen und/oder Wahnvorstellungen mit Niedergeschlagenheit; Antriebsmangel; v. a. Schuld- oder Verarmungswahn
Ursache:
Maßnahme:
- Sofort zur Hausärzt*in oder in eine psychiatrische Ambulanz
Angenehme Wahnvorstellungen mit euphorischer Grundstimmung und Umtriebigkeit; typischerweise Größenwahn oder Liebeswahn
Ursache:
Maßnahme:
- In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in oder in eine psychiatrische Ambulanz
Halluzinationen und Wahnvorstellungen, verbunden mit auffallend weiten Pupillen
Ursache:
- Vergiftung, z. B. mit Stechapfel oder Tollkirsche
- Drogenpsychose, z. B. bei Kokain
Maßnahmen:
- Rat einholen beim Giftnotruf
- Notärzt*in kontaktieren
Halluzinationen und Wahnvorstellungen bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch
Ursache:
- Rauschzustand oder Entzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit oder Drogenabhängigkeit
Maßnahme:
- Möglichst am selben Tag zur Hausärzt*in oder in eine psychiatrische Klinik
Halluzinationen und Wahnvorstellungen bei Medikamenteneinnahme
Ursache:
Nebenwirkung, z. B. von
Maßnahme:
- In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in, wenn das Mittel ärztlich verordnet wurde
Selbsthilfe:
- Bei Selbstmedikation Mittel absetzen
Ihre Apotheke empfiehlt
Schauen Sie genau hin.
Halluzinationen haben vielfältige Ursachen, von schwerwiegend bis zu harmlos. Holen Sie sich bei Unsicherheit professionelle Hilfe, um die Situation einschätzen zu können.
Königsweg finden.
Selbst die professionelle Pflege ist sich nicht einig, wie mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen umgegangen werden sollte. Gerade in der Begegnung mit Demenzkranken weichen viele Angehörige auf „Notlügen“ aus, um die Erkrankten nicht unnötig zu beunruhigen. Lassen Sie sich am besten von ihrem Gefühl leiten und entscheiden Sie im Einzelfall. Hören Sie auf Ihren Bauch, wenn Sie moralische Bedenken haben. Viele Angehörige fühlen sich zum Beispiel unwohl damit, die Erkrankten mit Tricks zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen („Du hast den Bus schon verpasst, deswegen kannst du dich wieder ins Bett legen“). Manchmal hilft es auch, einfach auf Themen auszuweichen, die der Betroffene realistisch wahrnimmt.
Unterstützung geben.
Viele psychiatrisch Erkrankte weigern sich zunächst, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bleiben Sie hartnäckig! Denn auch wenn Sie als Angehörige*r oder Freund*in eine wichtige soziale Anlaufstelle sind – ohne ärztlichen oder psychologischen Beistand sind ernste psychiatrische Erkrankungen kaum zu bewältigen. Bürden Sie sich nicht zu viel Verantwortung auf und wenden Sie sich an ihre Hausärzt*in, eine Psychiater*in oder ein Krisenzentrum.
Sich selbst schützen.
Dass Betroffene aggressiv werden, kommt in der Praxis leider gar nicht so selten vor. Holen Sie Hilfe, bevor die Situation völlig außer Kontrolle gerät. Geeignete Anlaufstellen sind z. B. die Notärzt*in oder der sozialpsychiatrische Dienst. Manchmal ist es sogar nötig, die Polizei zu informieren. Auch wenn es Überwindung kostet: Der Selbstschutz und der Schutz des Erkrankten vor sich selbst stehen dann an erster Stelle.