Gesteigerter Appetit und Heißhungerattacken

Frau stopft zwei Eiswaffeln zugleich in sich hinein. Bei Heißhungerattacken kann langsames Kauen helfen, die aufgenommene Essensmenge zu deckeln.
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Auch Langeweile oder Kummer lösen Heißhungerattacken aus.

Hunger hat nur wenig mit einem leeren Magen zu tun, folgt man den aktuellen Forschungsergebnissen. Hungergefühle entstehen vielmehr durch einen absinkenden Blutzuckerspiegel und durch abnehmende Reserven in unseren Fettzellen. Beide Vorgänge lösen Hungergefühle aus und zwingen uns, nach Nahrung zu suchen oder zumindest an die nächste Mahlzeit zu denken, egal ob im Urwald, in der Straßenbahn oder im Büro. Wer kurz zuvor körperliche Leistungen wie eine Bergtour oder Handwerksarbeiten erbracht hat, verspürt diesen Hunger besonders intensiv. Doch auch soziale und psychische Signale beeinflussen, wie stark das Bedürfnis nach Nahrung ist. Wem langweilig ist oder wer Kummer hat, isst oft auch mit nur wenig oder ganz ohne Hunger. Über längere Zeit praktiziert, droht eine beträchtliche Gewichtzunahme – der Kummerspeck.

Anlass zur Sorge geben gesteigerter Appetit und Heißhunger immer dann, wenn sie plötzlich auftreten, und trotz ausreichendem Essen gleichzeitig Gewicht verloren wird. In Frage kommen dann neben psychischen Erkrankungen Stoffwechselstörungen wie ein noch nicht behandelter Diabetes mellitus und die Schilddrüsenüberfunktion, aber auch eine Infektion mit Würmern.

Beschwerdebilder, ihre Ursachen, Maßnahmen und Selbsthilfe

Heißhungerattacken, im Wechsel mit provoziertem Erbrechen und/oder extremem Fasten; meist normales Körpergewicht; oft Missbrauch von Abführmitteln bzw. Abführmitteln zur Gewichtsreduktion

Ursachen:

  • Bulimie (Ess-Brech-Sucht)

Selbsthilfe:

  • Nach den Mahlzeiten eine halbe Stunde zur Entspannung einräumen

Häufige Heißhungerattacken, oft mit der Folge starken Übergewichts

Ursache:

  • Binge Eating (Fresssucht)

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in, Psychotherapeut*in oder Psycholog*In

Gesteigerter Appetit, evtl. nur auf bestimmte Nahrungsmittel (z. B. Süßes) bei Stress, seelischer Belastung, Langeweile

Ursachen:

  • Psychische Reaktion, oft im Sinne einer Ersatzhandlung
  • Depressive Verstimmung, v. a. Winterdepression

Selbsthilfe:


Heißhunger vor der Monatsblutung; Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen; evtl. Brustspannen, Unterleibsschmerzen, Kopfschmerzen

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Frauenärzt*in, wenn Sie unter stärkeren PMS-Beschwerden leiden

Selbsthilfe:

  • Viel Bewegung
  • Präparate mit Agnus castus (z. B. Femicur®)

Gesteigerter Appetit, oft nur auf bestimmte Nahrungsmittel, und/oder Heißhungerattacken bei Schwangeren

Ursache:

  • Normale Reaktion auf die hormonelle Umstellung während einer Schwangerschaft

Maßnahme:

  • Achten Sie auf Ihre Ernährung, wenn Sie im 2. Drittel mehr als 400 g, im 3. Drittel mehr als 500 g pro Woche zunehmen

Gesteigerter Appetit und starker Durst mit gleichzeitigem Gewichtsverlust

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in

Heißhungerattacken mit Beschwerden wie Zittern, Schwitzen, Angst, Verwirrtheit; oft ausgelöst durch körperliche Anstrengung, unzureichende Nahrungsaufnahme

Ursachen:

Maßnahme:

  • Notarzt rufen bei Krampfanfällen, Bewusstseinstrübung, blass-kalter Haut

Selbsthilfe:

  • Traubenzucker oder Fruchtsaft einnehmen bzw. einflößen

Gesteigerter Appetit mit gleichzeitigem Gewichtsverlust und vermehrtem Schwitzen; Zittern der Hände, Nervosität, Durchfall; evtl. hervortretende Augen

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in

Gesteigerter Appetit mit starkem Gewichtsverlust und deutlichem Leistungsknick

Ursache:

  • Verschiedene Krebserkrankungen

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in

Gesteigerter Appetit bei Medikamenteneinnahme

Ursache:

Maßnahme:

  • Beim nächsten Besuch in der ärztlichen Praxis ansprechen, wenn Sie diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel eines verordneten Medikaments finden

Heißhungerattacken während oder nach einer schnellen Ernährungsumstellung oder Diät

Ursache:

  • Jojo-Effekt bei Diäten

Selbsthilfe:

  • Statt Diät eine langfristige, gemäßigte Ernährungsumstellung

Appetitlosigkeit im Wechsel mit Heißhungerattacken und Gewichtsverlust trotz regelmäßigem Essen; evtl. Ausscheidung von sichtbaren Würmern oder Wurmbestandteilen

Ursache:

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen bis Wochen zur Hausärzt*in; Stuhlgang mit eventuellen Wurmbestandteilen aufheben und mitbringen

    Ihre Apotheke empfiehlt

    Auf den Körper hören.

    Stress und Hektik sind oft der Grund, warum Mahlzeiten unter Zeitdruck oder nur im Vorübergehen eingenommen werden. Die Konsequenz: Eintretende Sättigungsgefühle werden nicht wahrgenommen, gegessen wird, bis nichts mehr übrig ist. Außerdem ist der Magen zwar voll, die Lust auf ein Geschmackserlebnis aber bleibt. Besser ist es, bewusst zu essen und so auch die sinnlichen Bedürfnisse zu stillen.

    Langsam essen.

    Bis zu 20 Minuten dauert es, bis das Sättigungsgefühl eintritt. Wer sein Essen also schnell herunterschlingt, verpasst vielleicht den richtigen Moment, um aufzuhören. Denn auch wer Heißhunger hat, braucht meist keine riesigen Portionen, um seinen Appetit zu stillen.

    Sich an Richtwerten orientieren.

    Ist das Gefühl für die richtige Portionsgröße erstmal verloren gegangen, helfen einfache Richtwerte, um sich wieder an normale Essensmengen heranzutasten. Die richtige Menge Spaghetti pro Person beispielsweise ist – ungekocht und im Bündel gefasst – im Durchmesser so groß wie ein Zwei-Euro-Stück.

    Viele Ballaststoffe essen.

    Egal ob im Take away gekauft oder zu Hause zubereitet: Fertignahrung hat meist eine hohe Nährstoffdichte, sodass schon kleine Portionen den Energiebedarf decken, aber kein Gefühl eines vollen Magens vermitteln. Genau das Gegenteil ist bei Nahrungsmitteln mit hohem Ballaststoffanteil der Fall. Von Salaten, Vollkornprodukten und Gemüse lassen sich große Mengen verspeisen, ohne zu viele Kalorien zu sich zu nehmen.

    Alle Geschmacksrichtungen bedienen.

    Im Ayurveda gilt: In jeder Mahlzeit sollten möglichst alle Geschmacksrichtungen enthalten sein. So verspürt man nach deftigen, also salzigen oder gar scharfen Gerichten oft vermehrt Appetit nach einem süßen Abschluss. Anstatt sich ein kleines Dessert zu versagen und sich dann im Anschluss ein großes Stück Schokolade vorzunehmen, sollten Sie Ihre Mahlzeiten lieber abwechslungsreich gestalten.

    Sich ablenken.

    Langeweile und negative Gefühl sind ein häufiger Anlass für Heißhungerattacken. Das Essen nimmt dann die Funktion einer Ersatzbefriedigung ein. Wenn Sie bei sich ein solches Muster erkennen, nehmen Sie sich Aktivitäten vor, die Sie in der kritischen Situation stattdessen ausüben. Gut eignen sich Spaziergänge, ein Treffen mit Freunden [gut wegen sozialer Kontrolle] oder auch Beschäftigungen wie Gartenarbeit. Weniger geeignet ist der Griff zur Fernbedienung – gerade beim Fernsehen ist der Snack nebenher für viele eine Selbstverständlichkeit.

    Haben Sie nach einer Heißhungerattacke das Bedürfnis, das zu viel Gegessene wieder erbrechen zu müssen – oder können Ihre Heißhungerattacken nicht mehr unter Kontrolle halten, suchen Sie rechtzeitig ärztlichen und psychotherapeutischen Rat! Denn allein ist es nahezu unmöglich, aus dieser Situation wieder herauszukommen.

    Reinfektionen vermeiden.

    Liegt gesteigertem Appetit eine Wurminfektion zugrunde, sollten Sie sich nicht nur von der Ärzt*in die passenden Medikamente verschreiben lassen, sondern auch unbedingt eine Wiederansteckung vermeiden. Wichtig ist, mögliche Eier oder Larven auf keinen Fall zu verschleppen. Das bedeutet, dass Kleidung und Bettwäsche gründlich gewaschen werden. Auch sollten Sie sich nach jedem Toilettengang besonders gründlich die Hände waschen. Denken Sie auch daran, alle vielleicht angesteckten Familienmitglieder mitbehandeln zu lassen und Haustiere regelmäßig zu entwurmen (gegen Band- Fadenwürmer!).

    Autor*innen

    Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel; in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Redaktionelle Bearbeitung: Sara Steer | zuletzt geändert am um 19:38 Uhr


    Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.