Ungewollter Harnabgang (Inkontinenz) und verstärkter Harndrang (Pollakisurie)

Frau hält Toilettenpapierrolle vor sich. Unwillkürlicher Harnabgang und versträrkter Harndrang sind häufige Probleme.
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Am Anfang der Inkontinenz steht oft der verstärkte Harndrang.

Drei Muskeln spielen zusammen, damit die Harnblase einerseits dicht hält und sich zum anderen zum gewünschten Zeitpunkt entleert: der Blasenmuskel, der Harnblasenschließmuskel und der Harnröhrenschließmuskel. Sie werden über das vegetative Nervensystem gesteuert.

Oft funktioniert dieses Zusammenspiel nicht wie es soll. Leichte Störungen machen sich zumeist durch gehäuften Harndrang (Pollakisurie) bemerkbar. Nehmen die Beschwerden weiter zu, kommt es immer häufiger zu ungewolltem Harnabgang (Inkontinenz).

Betroffen sind vor allem ältere Menschen, Frauen nach einer Schwangerschaft oder Männer nach einer Prostataentfernung.

Je nach Ursache werden verschiedene Formen der Inkontinenz unterschieden. Die häufigsten sind die Belastungsinkontinenz, die Dranginkontinenz und die Überlaufinkontinenz.

Bei Kindern kommen andere Ursachen infrage: Wenn ältere Kinder mehrfach am Tag einnässen, nachts jedoch trocken bleiben, steckt dahinter häufig eine funktionelle Störung der Blasenentleerung. Plötzlicher, unwiderstehlicher Harndrang, verbunden mit tropfen- oder schubweisem Abgang von Urin, ist typisch für die idiopathische Dranginkontinenz. Um ein Einnässen zu verhindern, wenden die Kinder Haltemanöver an: Sie pressen die Beine zusammen, hüpfen, gehen in die Hocke oder setzen sich auf die Fersen. Ursache der Störung ist eine Reifungsverzögerung von Teilen des Nervensystems. Beim Bettnässen ist meist ein verhaltenstherapeutischer Ansatz erfolgreich. Eine bewährte Maßnahme ist die Klingelhose, die mit Feuchtigkeitssensoren ausgestattet ist. Beginnt das schlafende Kind sich einzunässen, werden die Sensoren aktiviert und ein akustisches Signal weckt es auf.

Beschwerdebilder, ihre Ursachen, Maßnahmen und Selbsthilfe

Ungewollter Harnabgang kleiner Mengen (Tröpfeln); bei Husten, Niesen, Heben, Hüpfen, Treppensteigen oder Geschlechtsverkehr; vorwiegend bei Frauen

Ursache:

Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz), z. B. bei

Maßnahmen:

  • In den nächsten Wochen zur Hausärzt*in, Frauenärzt*in oder Urolog*in
  • Da viele Medikamente Inkontinenz-Beschwerden verstärken, die Ärzt*in vollständig über die derzeitige Medikation informieren

Selbsthilfe:


Unbezwingbarer und meist schmerzhafter Harndrang; ungewollter Harnabgang, wenn der Weg zur Toilette zu weit ist; evtl. blutiger Urin

Ursache:

Dranginkontinenz, z. B. bei

Maßnahmen:

  • Am selben oder nächsten Tag zur Hausärzt*in, Frauenärzt*in oder Urolog*in, wenn die Beschwerden plötzlich auftreten oder der Urin blutig ist
  • In den nächsten Wochen bei langsamer Zunahme der Beschwerden

Reflexartige, unwillkürliche Blasenentleerung; meist kein Harndrang

Ursache:

Reflexinkontinenz, z. B. bei

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in, Frauenärzt*in oder Urolog*in, wenn die Beschwerden neu auftreten

Unwillkürlicher Urinabgang in kleinen Portionen (Harnträufeln) mit erschwerter Harnausscheidung (Harnverhalt); prall gefüllte Blase tastbar; krampfartige Unterbauchschmerzen, spontan oder bei Beklopfen der Blase; evtl. blutiger Urin

Ursache:

Überlaufinkontinenz durch Abflussbehinderung, z. B. bei

Maßnahme:

  • Am selben Tag zur Hausärzt*in oder Urolog*in

Selbsthilfe:

  • Bei Abflussbehinderung durch Prostatavergrößerung (Stammtischverhalt) helfen evtl. warme Bauchwickel oder eine Wärmflasche

Unwillkürlicher Urinabgang in kleinen Portionen (Harnträufeln) mit erschwerter Harnausscheidung (Harnverhalt) und neurologischen Beschwerden; prall gefüllte Blase tastbar; keine Unterbauchschmerzen; evtl. Seh- oder Sprachstörungen; evtl. Lähmungen

Ursache:

Überlaufinkontinenz durch neurogene Blasenentleerungsstörung, z. B. bei

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in oder Neurolog*in, wenn die Beschwerden erstmals auffallen

Unwillkürlicher Urinabgang in kleinen Portionen (Harnträufeln) bei Medikamenteneinnahme

Ursache:

Überlaufinkontinenz als Nebenwirkung, z. B. von

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Ärzt*in, wenn das Mittel ärztlich verordnet wurde

Selbsthilfe:

  • Bei Selbstmedikation Mittel absetzen

Einnässen tagsüber oder nachts (Bettnässen) bei Kindern ab dem 5. Geburtstag; evtl. abgeschwächter Harnstrahl; evtl. häufiger Harndrang; evtl. Nachträufeln

Ursache:

Einnässen (Enuresis), z. B. bei

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Kinderärzt*in

Gehäufter, schmerzloser Harndrang bei älteren Kindern und Erwachsenen

Ursache:

Häufiges Wasserlassen kleiner Urinmengen (Pollakisurie) bei

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in oder Urolog*in, wenn die Beschwerde neu auftritt

Selbsthilfe:

  • Mit Blasentraining kann die Haltekapazität der Blase erheblich gesteigert werden

Gehäufter, schmerzloser Harndrang mit mehrmaligem Wasserlassen während der Nacht

Ursache:

Nächtliches Wasserlassen (Nykturie) bei

Maßnahme:

  • In den nächsten Tagen zur Hausärzt*in, wenn weitere Beschwerden auftreten wie Abschwächung des Harnstrahls, starker Durst, Beinödeme, Unterbauchschmerzen

Selbsthilfe:

  • Bei Fehlen weiterer Beschwerden, am Abend die Trinkmenge und insbesondere den Konsum von Alkohol – der harntreibend wirkt – einschränken

Langsame Abschwächung des Harnstrahls

Ursache:

  • Voranschreitende gutartige Prostatavergrößerung

Maßnahme:

  • In den nächsten Wochen zur Urolog*in, bei zusätzlichen Beschwerden möglichst bald

Wasserlassen in zwei Etappen; oft mit krampfhaften Schmerzen

Ursachen:

  • Blasendivertikel (Sackartige Ausstülpung der Blasenwand, bedingt durch eine Muskelschwäche)
  • Vesikorenaler Reflux

Maßnahmen:

  • Sofort zur Kinderärzt*in, Hausärzt*in oder Urolog*in bei Auftreten von Fieber, sonst in den nächsten Tagen

Ihre Apotheke empfiehlt

Beckenbodentraining.

Der Beckenboden ist eine Muskelplatte, die unterhalb der Bauch- und Beckenorgane liegt. Diese Muskeln sind wichtig, damit das Wasserlassen und der Stuhlgang kontrolliert ablaufen: Spannen sich die Muskeln an, unterstützen sie die Schließmuskeln von Harnblase und Anus. Beim Urinieren und Stuhlgang entspannt sich der Beckenboden hingegen.

Übergewicht, Fehlhaltungen, Operationen oder Medikamente schwächen häufig die Muskeln des Beckenbodens und führen z. B. zu Harninkontinenz. In solchen Fällen stärkt ein gezieltes Training mit Anspannungs- und Entspannungsübungen die Muskulatur. Angeboten werden Kurse zum Beckenbodentraining von Physiotherapeuten, Volkshochschulen oder Sportstudios.

Viele Menschen finden das Training anfangs schwierig, da die Muskeln des Beckenbodens unsichtbar und von außen nicht tastbar sind. Um den Beckenboden besser zu spüren gibt es eine einfache Übung für zuhause: Wer beim Wasserlassen bewusst den Harnstrahl für einige Sekunden unterbricht, spannt den Beckenboden automatisch an.

Blasentraining.

Besonders für leichte Fälle der Dranginkontinenz ist Blasentraining ein wirksames Mittel, um die willkürliche Kontrolle über die Blase zu erhöhen. Durch das Training wird die Harnblase langsam wieder dehnbarer und speichert dadurch größere Urinmengen.

Da es beim Blasentraining verschiedene Methoden gibt, ist es empfehlenswert vor Beginn mit der Ärzt*in zu besprechen, welche Form des Trainings sinnvoll ist. Eine Möglichkeit des Blasentrainings ist der regelmäßige Toilettengang nach festen Zeitintervallen. Begonnen wird z. B. mit einstündigem Abstand tagsüber und zwei Toilettengängen pro Nacht. Nach etwa einer halben Woche wird das Intervall jeweils um 10–15 Minuten vergrößert. Trainingsziel ist es, tagsüber einen Abstand von 2 bis 3 Stunden zwischen den Toilettengängen zu erreichen.

Autor*innen

Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel | zuletzt geändert am um 09:53 Uhr


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist nach wissenschaftlichen Standards verfasst und von Mediziner*innen geprüft worden. Die in diesem Artikel kommunizierten Informationen können auf keinen Fall die professionelle Beratung in Ihrer Apotheke ersetzen. Der Inhalt kann und darf nicht verwendet werden, um selbständig Diagnosen zu stellen oder mit einer Therapie zu beginnen.