Andere Wirkstoffe dieser Gruppe
Abnehmen ist schwierig. Deshalb greifen Übergewichtige häufig zu jedem Strohhalm. Sich Botox in den Magen spritzen zu lassen ist allerdings keine gute Idee, wie eine ganze Reihe vergifteter Gesundheitstourist*innen erfahren mussten.
Die Dosierung macht´s
Botulinumtoxin ist das stärkste bekannte Nervengift. Es wird von Bakterien aus der Familie der Clostridien gebildet und führt zu Muskellähmungen. Der Verzehr von bakteriell kontaminierten Fleisch- oder Wurstwaren kann zu einer lebensgefährlichen Vergiftung mit Atemlähmung führen, die Erkrankung heißt Botulismus. Doch Botulinumtoxin hat auch positive Seiten: Synthetisch hergestellt und in extremer Verdünnung wird seine muskelentspannende Wirkung therapeutisch genutzt. In der ästhetischen Chirurgie glättet es Mimikfalten und in der Neurologie löst es schwerste Augenlid- und Schlundkrämpfe.
Mit der Spritze kam die Vergiftung
Nun hat der Wirkstoff im (nicht zugelassenen) Einsatz gegen Übergewicht traurige Berühmtheit erlangt. Das Robert Koch-Institut berichtet von über 20 Gesundheitstourist*innen, die sich in der Türkei zum Abspecken Botox in die Magenwand spritzen ließen. Ziel dieser Behandlung ist die Verringerung der Magenbewegungen: Dadurch sollen die Speisen länger im Magen verbleiben, was ein langanhaltendes Sättigungsgefühl hervorrufen und den Übergewichtigen das Abnehmen erleichtern soll.
Doch bei inzwischen 27 Betroffenen ging die Botox-Kur übel aus - sie erkrankten an Botulismus. Einige von ihnen so stark, dass sie auf Neurointensivstationen in Deutschland behandelt werden mussten. Wie es zu diesen Fällen kam, ist ungewiss. Denkbar ist laut Prof. Tim Hagenacker von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) z.B. eine Wirkverstärkung durch Verunreinigung der Substanz. Möglicherweise hat der Einsatz von Botulinumtoxin im Magen auch per se ein höheres Risiko für eine Vergiftung, da dabei relativ hohe Dosen nötig sind.
Erst Übelkeit, dann Schluckstörungen
Auf jeden Fall sollen Menschen, die sich einem solchen (nicht empfohlenen!) Eingriff unterziehen, bei folgenden Symptomen aufmerksam werden und die Ärzt*in aufsuchen:
- Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- später Schluckstörungen
- Lähmungserscheinungen.
Innerhalb von zwei Tagen nach der Behandlung können Ärzt*innen noch ein Gegengift verabreichen. Häufig wird dieses Zeitfenster jedoch verpasst, so Hagenacker. Daneben ist eine je nach Ausmaß der Vergiftung neurointensive Behandlung erforderlich. Die Aussicht auf Genesung ist gut, oft dauert der Prozess aber Wochen und Monate, weil sich das Botulinumtoxin nur sehr langsam abbaut.
Die DGN trägt nun die Daten aller Fälle zusammen, um mehr zu dem Botulismus-Ausbruch durch die Magenspritze zu erfahren. Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist wichtig, um zukünftig Betroffenen schneller helfen zu können, sagt Hagenacker.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Ärzteblatt