Akute Bauchspeicheldrüsenentzündung (akute Pankreatitis): Plötzlich auftretende, nicht durch eine Infektion bedingte Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Häufigste Ursachen sind der Alkoholmissbrauch und in der Mündung des Bauchspeicheldrüsengangs eingeklemmte Gallensteine. Betroffen sind vor allem Menschen im Alter von 30–50 Jahren. Je nach Schweregrad verläuft die Krankheit in 1–15 % der Fälle tödlich. Wichtig sind die möglichst rasche Behandlung und Überwachung in der Klinik.
- Plötzlich auftretende heftige, langanhaltende Schmerzen im Oberbauch, oft gürtelförmig um den Bauch, aber auch in andere Richtungen ausstrahlend
- Übelkeit und Erbrechen
- Schweres Krankheitsgefühl
- Häufig Fieber
- Blutdruckabfall, in schweren Fällen Schock mit Herzrasen, Kaltschweißigkeit und Angst bis hin zum Kreislaufversagen
- Gelegentlich Gelbfärbung der Haut bei Einklemmung eines Gallensteins.
Sofort den (Not-)Arzt rufen,
- wenn obige Beschwerden auftreten!
Auslöser und Risikofaktoren
Auslöser einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung sind am häufigsten ein an der Mündung des Bauchspeicheldrüsengang eingeklemmter Gallenstein (45 %), wodurch die verdauenden Darmsäfte und Galle in den Gang der Bauchspeicheldrüse gelangen sowie Alkoholmissbrauch (35 %). In 15 % der Fälle lässt sich keine Ursache finden, die übrigen 5 % verteilen sich auf
- die Folgen einer Medikamenteneinnahme (z. B. Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, Östrogene, Kortison, Antibiotika, Azathioprin)
- Bauchverletzungen
- Verletzungen der Bauchspeicheldrüse durch ärztliche Eingriffe, z. B. bei einer ERCP (eine endoskopische Untersuchung der Gallengänge und des Bauchspeicheldrüsenganges)
- Fettstoffwechselstörungen (Hypertriglyzeridämie)
- stark erhöhte Kalziumspiegel, z. B. bei einer Nebenschilddrüsen-Überfunktion.
Formen, Verlauf und Komplikationen
Bei der häufigsten Form, der leichten akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung (interstitiell-ödematöse Pankreatitis), führen die oben genannten Auslöser zu Entzündungsreaktionen und einer erhöhten Durchlässigkeit der Bauchspeicheldrüsengänge. Dadurch gelangt Flüssigkeit in das Gewebe der Bauchspeicheldrüse und sie schwillt an. Zum Absterben von Pankreasgewebe und anderen schweren Komplikationen kommt es bei der leichten Form nicht, sie hat mit einer Sterblichkeit unter 1 % eine gute Prognose.
Die schwere akute Bauchspeicheldrüsenentzündung (akut nekrotisierende Bauchspeicheldrüsenentzündung) zeichnet sich durch eine regelrechte Selbstverdauung aus, die bis hin zum teilweisen oder kompletten Absterben von Pankreasgewebe mit schwerwiegenden Folgekomplikationen führt.
Bei der Selbstverdauung werden die Drüsenzellen durch den auslösenden Reiz so stark direkt geschädigt, dass massenweise Verdauungsenzyme an Ort und Stelle freigesetzt werden, anstatt an ihren eigentlichen Bestimmungsort, den Darm, zu gelangen. Anders als im Darm, wo die Enzyme Nahrungsbestandteile zersetzen, greifen sie hier das Bauchspeicheldrüsengewebe selbst an und führen zum Absterben von Zellen (Nekrosen). In etwa einem Drittel der Fälle wandern Darmbakterien in das abgestorbene Bauchspeicheldrüsengewebe, es bilden sich sogenannte infizierte Nekrosen.
Gelangen die Verdauungsenzyme über die Grenzen der Bauchspeicheldrüse hinaus in den Bauchraum, richten sie auch dort großen Schaden an. Die Nekrosen dehnen sich aus, Blutgefäße werden angedaut und Blut fließt in die Bauchhöhle oder hinter das Bauchfell. Bis zu einem Drittel des gesamten Bluts kann auf diese Weise dem Kreislauf entzogen werden, Folgen sind Blutdrucksenkung und Kreislaufschock.
Als weitere Komplikationen drohen Bauchfellentzündung, Pleuraergüsse, Lungenentzündungen, Abszesse und Blutvergiftung bis hin zur Darmlähmung. Die Sterblichkeit ist daher bei der schweren Bauchspeicheldrüsenentzündung hoch, sie beträgt etwa 10–25 %.
Spätfolgen
Nach Heilung einer akuten Bauchspeicheldrüsen-Entzündung bleiben bei 5 % der Patienten Pankreas-Pseudozysten in der Bauchspeicheldrüse bestehen. Pseudozysten sind mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume, die Druckgefühle im Oberbauch und, wenn sie sich entzünden, Fieber verursachen können. Wird das Gewebe der Bauchspeicheldrüse teilweise oder sogar vollständig verdaut, kommt es zu Pankreasinsuffizienz und Diabetes.
Die wichtigsten Hinweise für die Diagnose liefern die heftigen andauernden Schmerzen im Oberbauch, der schlechte Allgemeinzustand mit Fieber, Übelkeit, Blutdruckabfall und schwerem Krankheitsgefühl und die Erhöhung der Bauchspeicheldrüsenenzyme (Lipase im Blut).
Im Ultraschall ist die durch Flüssigkeitseinlagerung vergrößerte Bauchspeicheldrüse gut zu erkennen, ebenso abgestorbene Bereiche oder eingeklemmte Gallensteine. Zur genauen Beurteilung des Schweregrads der Entzündung, veranlasst der Arzt in der Regel eine CT mit Kontrastmittelgabe.
Um die Ursache zu finden, werden Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren eingesetzt. Für einen Alkoholmissbrauch sprechen beispielsweise eine erhöhte Gamma-GT und ein erhöhtes MCV; ein erhöhtes Kalzium im Blut für eine Nebenschilddrüsen-Überfunktion und eine erhöhte ALT für einen Stein im Gallengang. Tumoren und Gallensteine lassen sich wiederum gut anhand von Endosonografie, ERCP und MRCP nachweisen.
Differenzialdiagnosen. Akute starke Oberbauchschmerzen kommen z. B auch vor bei
- Ulkuskrankheit
- Gallenblasenentzündung
- Blinddarmentzündung
- Herzinfarkt
- Darmarterienverschluss
- Aortenaneurysma.
Patienten mit einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung müssen ins Krankenhaus, in schweren Fällen auf die Intensivstation. Dort werden zum einen die Körperfunktionen stabilisiert, die Schmerzen behandelt und, wenn möglich, die zugrundeliegenden Ursachen angegangen. Außerdem überwachen die Ärzte jede akute Bauchspeicheldrüsenentzündung engmaschig mit Laboranalysen und Ultraschalluntersuchungen, um frühzeitig drohende Komplikationen zu erkennen.
- Eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen ist die Gabe von Flüssigkeit in Form von Infusionen, da meist ein ausgeprägter Flüssigkeitsmangel besteht. In der Regel sind mindestens 3–4 Liter/Tag nötig.
- Handelt es sich um eine leichte Form der Bauchspeicheldrüsenentzündung und der Patient hat Appetit, darf er normale, fettarme Kost essen. Bei der schweren Form ernähren die Ärzte den Patienten zunächst über Infusionen, die notwendigen Nährstoffe gelangen also direkt ins Blut. Weil eine frühzeitige Ernährung über den Darm die Komplikationsrate senkt, wird ab dem 2. oder 3. Tag eine Sonde über die Nase in den Dünndarm gelegt und dem Patienten so Nahrung zugeführt. Sobald die Schmerzen verschwunden sind und die Pankreasenzyme sinken, wird die Sonde entfernt und der Patient darf mit einem vorsichtigen Kostaufbau beginnen.
- Die häufig starken Schmerzen lindern die Ärzte mit Novaminsulfon und/oder Opioiden wie Pethidin oder Buprenorphin (z. B. Temgesic®).
- Damit kein Stressulkus entsteht, hemmen die Ärzte die Sekretion des Magensafts mit Protonenpumpenhemmern wie z. B. Pantoprazol.
- Bei starkem Erbrechen oder einem beginnenden Darmverschluss durch eine Darmlähmung legen die Ärzte zur Entlastung eine Magensonde.
- Bei Fieber, Abszessen, Gallengangsentzündung und Pseudozysten erhält der Patient Antibiotika.
- Liegt der akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung ein eingeklemmter Gallenstein zugrunde, entfernen die Ärzte den Stein umgehend mittels ERCP, d. h. mit einer kleinen Zange oder einem Körbchen, die unter Kamerasicht in einem Schlauch über den Mund bis in den Bauchspeicheldrüsengang vorgeschoben wird (endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikografie)
- Abszesse und Zysten werden unter bildgebender Kontrolle (Ultraschall oder CT) punktiert und abgesaugt; letztere jedoch nur, wenn sie groß sind und Beschwerden verursachen.
Operative Behandlung von Komplikationen
Manchmal reichen die oben genannten Maßnahmen nicht aus, um das Fortschreiten einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung einzudämmen. Dann müssen die Ärzte operieren. Hierbei entfernen sie z. B. infizierte, abgestorbene Gewebebereiche (Nekrosen), stillen Blutungen aus angedauten Gefäßen oder entfernen Abszesse, die sich trotz Punktion nicht zurückgebildet haben. Vor allem Notoperationen sind riskant, etwa 15 % der Patienten versterben daran.
Nachsorge
- Der Patient muss über die nächsten Jahre hinweg auf alles verzichten, was die Bauchspeicheldrüse schädigt, also vor allem auf Alkohol.
- Bei einer geplanten Medikamenteneinnahme muss der Arzt prüfen, ob dieses evtl. schädlich für die Bauchspeicheldrüse ist. Dies trifft auf bestimmte Wirkstoffe aus den Gruppen der Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, Östrogene und Antibiotika sowie auf einige Entzündungshemmer (z. B. Mesalazin) zu.
- Hat der Patient Gallensteine, wird die Gallenblase etwa 6 Wochen nach Ausheilung entfernt, um eine weitere Entzündung der Bauchspeicheldrüse zu vermeiden.
- Pseudozysten, die sich nach 6 Wochen nicht von selbst zurückgebildet haben, punktiert und drainiert der Arzt erneut.
Die Prognose hängt vom Schweregrad der akuten Entzündung ab. Bei der leichten Form ohne Nekrosen und Komplikationen sterben etwa 1 % der Patienten an der Erkrankung. Die nekrotisierende Pankreatitis hat eine Sterblichkeit von 10–25 %. Kommt es zu einer Totalnekrose der Bauchspeicheldrüse, stirbt sogar jeder 2. Betroffene daran.
Eine akute Bauchspeicheldrüsen-Entzündung führt zu so starken Beschwerden, dass von einer Eigentherapie unbedingt abzuraten ist.