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Azetabulumfraktur: Knochenbruch im Bereich der Gelenkpfanne des Hüftgelenks. Typische Ursache sind Autounfälle, bei denen das Knie an das Armaturenbrett prallt und dadurch der Oberschenkelknochen in die Gelenkpfanne "gerammt" wird. Die meist erforderliche operative Versorgung gehört zu den komplizierten Eingriffen in der Unfallchirurgie. Häufig bleiben Stufen im Gelenk zurück, 3/4 der Betroffenen entwickeln deshalb langfristig eine Hüftgelenksarthrose. Bei alten Patient*innen macht meist der Einsatz einer Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) Sinn.
Hinweis: Die Azetabulumfraktur ist eine spezielle Form des Beckenbruchs. Mehr zum Thema unter Beckenringbruch.
- Starke Schmerzen im Bereich von Hüfte und Oberschenkel
- Schwellungen und Blutergüsse
- Verkürztes und/oder fehlgestelltes Bein auf der betroffenen Seite
- Bei der Anprallverletzung häufig Begleitverletzung des Knies.
Sofort den Notarzt/Rettungsdienst rufen bei
- oben genannten Beschwerden im Rahmen eines Verkehrsunfalls oder eines häuslichen Sturzes.
Rechtes und linkes Hüftbein bestehen jeweils aus drei Anteilen, dem Darmbein, dem Sitzbein und dem Schambein. Diese drei Teile verschmelzen bis zur Pubertät zum eigentlichen Hüftbein. Dort, wo sich die drei Knochen treffen, liegt die Hüftgelenkspfanne und bildet gemeinsam mit dem Kopf des Oberschenkelknochens das Hüftgelenk.
Ursachen
Die Hüftgelenkspfanne kann durch direkte und indirekte Gewalteinwirkung brechen. Häufiger (indirekter) Unfallmechanismus ist die Anprallverletzung im Rahmen schwerer Autounfälle, wobei der Oberschenkelkopf in die Pfanne hineingeschoben wird und diese dadurch bricht. Bei alten Menschen mit verminderter Knochendichte ist eine solche indirekte Verletzung bereits durch einen einfachen Sturz auf das Knie möglich.
Auch direkte Gewalt wie ein Schlag auf den seitlich gelegenen Knochenvorsprung des Oberschenkels (Trochanter major oder Großer Rollhügel) kann zu einem Bruch der Gelenkpfanne führen.
Eingeteilt werden Azetabulumfrakturen danach, wo der Knochen gebrochen ist und ob ein einfacher oder ein kombinierter Bruch mit mehreren Bruchlinien vorliegt.
Komplikationen
Im Rahmen einer Anprallverletzung kommt es häufig zusätzlich zu einer Verletzung der Kniescheibe. Ebenso wird die Azetabulumfraktur oft vom Bruch des Hüftkopfs oder einer Hüftgelenksverrenkung begleitet. Auch die Schädigung des Ischiasnervs ist möglich.
Schwerverletzte kommen meist als erstes in den Schock- oder Reanimationsraum. Dort prüft man, ob eine unmittelbare Lebensgefahr (z. B. durch schwere Blutungen und Schock) besteht und versorgt als erstes lebensgefährliche Begleitverletzungen.
Körperliche Untersuchung. Bei der körperlichen Untersuchung achtet die Ärzt*in auf äußere Verletzungen, sichtbare Fehlstellung oder Beinlängenverkürzung. Wenn möglich, werden Gang und Stand sowie die Beweglichkeit der Beine untersucht. Im Liegen prüft die Ärzt*in vorsichtig den Druckschmerz am Becken, vor allem über dem Großen Rollhügel und in der Leiste. Typisch ist auch ein starker Schmerz beim (vorsichtigen!) Stauchen des Beins in Richtung Becken.
Durch eine neurologische Untersuchung lassen sich eventuelle Nervenschädigungen erkennen. Hinweise auf eine Schädigung des Ischiasnervs sind starke, in das Bein ziehende Schmerzen, eine Schwächung oder Lähmung der Oberschenkelmuskulatur oder die Unmöglichkeit, die Fußspitze anzuheben oder die Zehen zu strecken. Ein verletzter Femoralnerv zeigt sich darin, dass die Beugung im Hüftgelenk erschwert oder unmöglich ist.
Bildgebende Verfahren. Röntgenaufnahme des Beckens, als Übersicht und in mehreren Ebenen, sichern den Verdacht auf eine Azetabulumfraktur. In der Regel wird auch ein CT durchgeführt, da hier die Gelenkpfanne besonders gut dargestellt werden kann. Je nach Komplexität des Bruchs kommen auch 3D-Darstellungen zum Einsatz.
Differenzialdiagnosen. Ein verkürztes Bein kann auch Zeichen einer Hüftgelenksverrenkung oder eines Oberschenkelhalsbruches sein.
Konservativ
Eine konservative Behandlung der Azetabulumfraktur kommt nur infrage, wenn
- das Gelenk stabil ist und der Oberschenkelkopf richtig in der Pfanne liegt
- die Bruchstücke nicht verschoben sind
- eine Operation aufgrund des Zustands der Patient*in nicht ratsam ist.
Die konservative Behandlung läuft meist folgendermaßen ab:
- Bettruhe unter adäquater Schmerztherapie mit nicht-opioiden Schmerzmitteln wie Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®) oder Metamizol (wie z. B. Novalgin®), bei stärkeren Schmerzen auch mit niedrig-potenten Opioiden wie Tramadol (z. B. Tramal®) oder hochpotenten Opioiden wie Oxycodon (z. B. Oxygesic®)
- Physikalische und medikamentöse Thromboseprophylaxe mit Stützstrümpfen (als Kompressionstherapie) und/oder Heparinspritzen
- Frühfunktionelle Behandlung, sobald die Patient*in dazu in der Lage ist. Das heißt, dass das Gelenk im Rahmen der Physiotherapie schon früh zunächst ohne, später unter Teilbelastung mobilisiert wird
- Vollbelastung nach etwa 12 Wochen möglich
- Mehrfache Röntgenkontrollen während der gesamten Ausheilungsphase.
In seltenen Fällen (zum Beispiel bei komplizierten Brüchen, aber zu hohem Operationsrisiko) stellen die Ärzt*innen die Hüfte auch für 3 bis 6 Wochen mit einer Extensionstherapie ruhig. Dabei liegt die Patient*in auf dem Rücken. Ein außen in den Unter- oder Oberschenkel eingeführter Nagel wird mit einem Spanner verbunden und das betroffene Bein dadurch gestreckt. Währenddessen erfolgt, soweit unter der Streckung möglich, eine passive Physiotherapie. Diese Behandlung wird sehr selten angewendet, weil durch die lange Ruhigstellung Wundliegen, Harnwegs- und Lungeninfektionen sowie der Abbau von Muskeln und Knochengewebe drohen.
Operativ
Liegt eine begleitende Hüftgelenksausrenkung vor, wird die Hüfte unter Zug und Drehung – meist in Kurznarkose auf dem Röntgentisch – wieder eingerenkt und das Ergebnis mit einer Röntgenaufnahme kontrolliert.
Gelingt das geschlossene Einrenken nicht, müssen die Ärzt*innen die Verletzung sofort offen operieren, um das Risiko für eine Schädigung von Nerven oder Gefäßen zu verringern. Weitere Gründe für eine sofortige Notfalloperation sind ein schon vorliegender Nervenschaden sowie ein offener Bruch.
Ansonsten erfolgt die operative Versorgung einer Azetabulumfraktur möglichst innerhalb der nächsten 3 bis 5 Tage. Wird mit der Operation zu lange gewartet, ist das Endergebnis häufig schlechter.
Die Wiederherstellung einer gebrochenen Hüftgelenkspfanne gehört zu den besonders anspruchsvollen Aufgaben in der Unfallchirurgie und dauert häufig viele Stunden. Bei Jüngeren versucht man in der Regel, die Knochen mit Schrauben und Drähten wieder zu fixieren und das Hüftgelenk zu erhalten. Alte Patient*innen erhalten häufig eine Hüftendoprothese, dies kann im gleichen Eingriff oder in einer späteren Operation erfolgen.
Nach der Operation bekommt die Patient*in eine geeignete Schmerztherapie mit Opioiden und/oder Nicht-Opioiden (siehe oben) sowie für 6 Wochen eine Thromboseprophylaxe. Bettruhe ist für etwa 2 Tage angesagt, danach beginnt die vorsichtige Teilbelastung für mindestens 6 Wochen. Am 1. Tag nach der Operation sowie 3 Monate lang alle 4 Wochen wird der Heilungsprozess mit Röntgenbildern kontrolliert.
Behandlungskomplikationen
Während der Operation können benachbarte Strukturen, vor allem Nerven und Gefäße, geschädigt werden, außerdem droht die Infektion der Wunde. Nach der Operation ist das Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose sowie nachfolgende Lungenembolie erhöht (ebenso wie durch das lange Ruhigstellen bei konservativer Therapie).
Langfristig kann es vor allem bei der konservativen Therapie zu einer dauerhaften Beinverkürzung oder zum Absterben des Oberschenkelkopfes (Hüftkopfnekrose) kommen. Eine spätere Hüftgelenksarthrose ist sowohl nach konservativer als auch nach operativer Behandlung häufig.
Die Prognose hängt davon ab, ob die Gelenkfläche wieder stufenfrei hergestellt werden kann. Da dies selten gelingt, entwickeln etwa 3 von 4 operierten Patient*innen langfristig eine Hüftgelenksarthrose.
Prävention
Stürze vermeiden. Ältere Menschen sind besonders von Stürzen bedroht, sei es aufgrund einer Fehlsichtigkeit, einem vermindertem Gleichgewichtsgefühl oder durch krankheitsbedingte Einschränkung ihrer Beweglichkeit. Deshalb ist es wichtig, ihre Sturzgefahr zu ermitteln und nötigenfalls ihre Stabilität zu verbessern. Dazu dienen Gehstöcke, Dreibeinstöcke und Rollatoren. Gymnastik, Gleichgewichtsübungen und Bewegungstraining helfen, Körper und Reaktionsfähigkeit fit zu halten.
Stolperfallen ausmerzen. Vor allem bei älteren Menschen sind Wohnung und nähere Umgebung gründlich auf mögliche Stolperfallen wie Teppiche oder herumliegende Kabel zu untersuchen diese zu entfernen.
Hüftprotektoren. Bei hoher Sturzgefahr können Hüftprotektoren helfen. Dies sind Hosen, in denen seitlich über dem Hüftknochen Schutzpolster eingenäht sind. Diese Polster können eventuelle Stürze abmildern.
Osteoporose behandeln. Um eine größtmögliche Knochenstabilität zu erhalten ist es wichtig, eine vorliegende Osteoporose zu behandeln.