Hüftkopfnekrose des Erwachsenen (Femurkopfnekrose): (Teilweises) Absterben des Hüftkopfs mit der Folge einer schweren Arthrose. Bemerkbar macht sich die Erkrankung durch belastungsabhängige Leistenschmerzen und Bewegungseinschränkungen, vor allem beim Einwärtsdrehen des Beines. Häufig ist die Ursache unklar, hier spricht man von einer idiopathischen Hüftkopfnekrose. Ihr zugrunde liegt vermutlich eine Minderdurchblutung des Hüftkopfes, die durch verschiedene Faktoren (Rauchen, Kortisoneinnahme) begünstigt wird. Betroffen sind vor allem Männer zwischen 30 und 40 Jahren. Hüftkopfnekrosen treten aber auch als Spätfolge einer Verletzung auf, (traumatische Hüftkopfnekrose), etwa nach Bruch des Hüftkopfs oder des Oberschenkelhalses.
Unbehandelt dauert es 2 bis 3 Jahre, bis Hüftkopf und Hüftgelenk irreversibel zerstört sind. Konservative Maßnahmen wie die Entlastung des Gelenks mit Gehstützen und Schmerzmitteln sind allein wenig hilfreich und werden vor allem begleitend zu einer operativen Therapie empfohlen. Operiert wird in frühen und mittleren Stadien gelenkerhaltend, z. B. mit einer Anbohrung des Femurkopfs. Im Spätstadium ist in der Regel ein Gelenkersatz erforderlich.
Hinweis: Eine Sonderform der Hüftkopfnekrose ist der Morbus Perthes (juvenile Hüftkopfnekrose, idiopathische kindliche Hüftkopfnekrose) bei Kindern von 3–12 Jahren mit sehr guten Heilungschancen. Mehr dazu siehe dort.
- Oft schleichender Beginn mit Ziehen in der Leiste
- Später einschießende starke Leistenschmerzen, eventuell in Oberschenkel und Knie ausstrahlend
- Schonhaltung mit schiefem Becken, Schmerzhinken
- Starke Einschränkung in der Beweglichkeit.
In den nächsten Wochen, wenn
- leichtere Beschwerden länger als 3 Tage anhalten.
Innerhalb von 3 Tagen bei
- allen akuten Schmerzen in Leiste, Oberschenkel oder Knie.
Krankheitsentstehung
Bei der idiopathischen Hüftkopfnekrose ist die Ursache für die Erkrankung nicht bekannt. Vermutet wird aber, dass eine Minderdurchblutung des Hüftkopfs der Auslöser ist. In der Folge wird das Knochengewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff, Mineralien und Nährstoffen versorgt. Das stört den natürlichen, regelmäßigen Knochenauf- und- abbau. Der Knochen verliert an Stabilität und bricht ein, der Hüftkopf wird schließlich komplett zerstört und es entwickelt sich eine schwere Hüftgelenksarthrose.
Begünstigt wird die idiopathische Hüftkopfnekrose beispielsweise durch:
- Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Gicht, Gerinnungsstörungen, Blutkrebs
- Kortisoninjektionen in das Hüftgelenk
- Kortisoneinnahme, als kritisch gilt eine tägliche Dosis ≥ 2g über 2 bis 3 Monate
- Alkoholismus, Rauchen
- Bestrahlungen und/oder zytostatische Therapien bei Krebs
- Rheumatische Erkrankungen wie Lupus erythematodes
- Caissonkrankheit bei Tauchern (durch zu schnelles Auftauchen bilden sich Gasbläschen in den Arterien, die die Gefäße verstopfen können).
Auch Verletzungen schädigen die Hüftkopfgefäße, sodass die Versorgung des Hüftknopfes unterbrochen ist. Diese sogenannten traumatischen Hüftkopfnekrosen drohen vor allem nach Oberschenkelhalsbrüchen. Hüftgelenksverrenkungen und Hüftkopfbrüchen und können sich noch viele Jahre nach dem eigentlichen Ereignis entwickeln.
Klinik und Verlauf
Die Hüftkopfnekrose beginnt oft schleichend mit einem Ziehen in der Leiste bei Belastung. Später folgen dann einschießende, starke Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit in der Hüfte. Die Beschwerden sind unspezifisch, durch die Ausstrahlung manchmal sogar im Knie am stärksten. Deswegen bleibt die Hüftkopfnekrose oft lange unerkannt. Sowohl mit als auch ohne Behandlung ist der Verlauf schwer vorauszusagen. Bei einigen Patient*innen kommt die Krankheit manchmal vollständig zum Stillstand, schreitet dann aber wieder ohne erkennbaren Anlass fort. Der Endzustand ist meist eine schwere Hüftgelenksarthrose.
Stadieneinteilung. Die Hüftkopfnekrose des Erwachsenen wird mit der ARCO-Klassifikation eingeteilt:
- Stadium 0 (Initialstadium): In diesem Stadium gibt es bereits Veränderungen am Hüftkopf, die jedoch nur über eine Gewebeprobe nachweisbar sind. Röntgen und MRT sind unauffällig, Beschwerden meist noch nicht vorhanden.
- Stadium I (reversibles Frühstadium): Röntgen und CT sind unauffällig. Vor allem im MRT, manchmal auch in der Szintigrafie sind jedoch die ersten abgestorbenen Gebiete (Nekrosen) zu erkennen.
- Stadium II (irreversibles Frühstadium): Im Röntgen zeigen sich Entkalkungen am Hüftkopf, wobei dessen Kontur und der Gelenkspalt noch unverändert sind. Im MRT sind weitere Deformitäten zu sehen.
- Stadium III (Übergangsstadium): Im Röntgen und im MRT zeigen sich weitere strukturelle Veränderungen wie Bruchlinien unter der Knorpelschicht und ein abgeflachter Hüftkopf. Spätestens jetzt kommt es zu starken Schmerzen und Einschränkungen der Bewegung im Hüftgelenk.
- Stadium IV (Spätstadium): In Röntgen und MRT erkennt man die deutlich sichtbare Abflachung des Hüftkopfs, Arthrosezeichen wie die Gelenkzerstörung und Verschmälerung des Gelenkspalts.
Zunächst untersucht die Ärzt*in die betroffene Hüfte, um die Erkrankung einzugrenzen. Hinken oder Bewegungseinschränkungen lenken den Verdacht schnell auf die Hüfte.
Bildgebende Verfahren. Im Röntgenbild zeigen sich die Veränderungen am Hüftkopf meist erst in späteren Stadien (ab ARCO II). Das Frühstadium ARCO I ist aber – auch bei unauffälligem Röntgenbild – im Kernspin oft erkennbar. In fortgeschrittenen Stadien hilft der Kernspin zudem, das Ausmaß der Erkrankung zu beurteilen. Weil häufig beide Hüftgelenke betroffen sind (auch wenn dabei manchmal nur eine Seite schmerzt), werden in der Regel von beiden Hüften Aufnahmen angefertigt. Neben Röntgen und MRT kommen bei speziellen Fragestellungen auch die CT oder eine Skelettszintigrafie zum Einsatz.
Biopsie. Gewebeproben werden heute zur Diagnose einer Hüftkopfnekrose nicht mehr entnommen.
Die Entwicklung einer Hüftkopfnekrose wird in einzelne Stadien unterteilt, die auf Röntgenbildern klar zu unterscheiden sind. Im Stadium I ist auf der Röntgenaufnahme des Hüftkopfs eines Erwachsenen mit unfallbedingter Erkrankung noch nichts zu erkennen. Eine konservative Therapie ist in diesem Fall ausreichend. Im Stadium II ändert sich die Struktur des Knochens, bis schließlich im Stadium III die Gelenkfläche einbricht. Diese Veränderungen erfordern eine Operation, wobei sich das Gelenk manchmal noch erhalten lässt. Eine ausgeprägte Arthrose mit weitgehender Zerstörung des Gelenks ist kennzeichnend für das Stadium IV. Sie ist nur noch mit einem vollständigen Gelenkersatz (TEP) zu behandeln.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Differenzialdiagnosen. Hüftschmerzen werden beispielsweise auch verursacht durch Hüftgelenksarthrose, Hüftdysplasie, Coxitis, Hüftimpingement oder einen Hüftkopfbruch, Knochentumoren und Metastasen.
Bei der Hüftkopfnekrose gibt es keine ursächliche Therapie. Um die Risikofaktoren zu minimieren, sollte auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum verzichtet werden. Außerdem ist es wichtig, Grunderkrankungen wie einen Diabetes mellitus oder eine Gicht erfolgreich zu behandeln.
Die Behandlung der Hüfte selbst richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung und den Beschwerden.
Konservativ
Konservative Maßnahmen sind vor allem unterstützend bis zur Operation oder begleitend zur operativen Therapie hilfreich. Als alleinige Behandlungsmaßnahmen reichen sie den aktuellen Leitlinien zufolge nicht aus. Das zeigt eine Studie, bei der die Entlastung mit Gehstützen untersucht wurde: 3/4 dieser Patienten hatten knapp 3 Jahre nach der Diagnose sowohl mehr Beschwerden als auch einen schlechteren Röntgenbefund.
Entlastung. Nicht nur Gehstützen entlasten den Hüftkopf. Genauso wichtig ist es, bei Übergewicht abzunehmen und das Hüftgelenk allgemein zu schonen.
Schmerzmittel. Gegen die Schmerzen verordnen die Ärzt*innen entzündungshemmende und schmerzlindernde Substanzen wie wie Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®), Ibuprofen (z. B. Dolgit® oder Ibuprofen AbZ) oder Etoricoxib (z. B. Arcoxia®).
Medikamente. Können oder wollen Betroffene nicht operiert werden, ist ein Therapieversuch mit gefäßerweiternden Medikamenten möglich. Im Stadium ARCO I bis II kann Iloprost die Schmerzen reduzieren und die Prozesse im Knochen abmildern. Es handelt sich dabei um eine Off-Label-Therapie, das heißt, dass das Medikament zu diesem Zweck keine explizite Zulassung hat.
In der Diskussion ist auch, ob Bisphosphonate die Zerstörung des Hüftkopfes verzögern. Langzeituntersuchungen stehen jedoch noch aus.
Operativ
Gelenkerhaltende Operationen. Diese Verfahren sind geeignet für die ARCO-Stadien I und II sowie je nach Ausprägung und Lokalisation der Nekrose auch im Stadium III. Die verschiedenen Methoden sind vergleichbar wirksam.
- Core Decompression. Bei dieser "zentralen Markraumdekompression" bohrt die Ärzt*in die Nekrose im Hüftkopf an. Das reduziert den Druck im Knochen und soll so die Durchblutung und die Regeneration im Gewebe verbessern und damit die Schmerzen lindern. Die Anbohrung wird in den Stadien ARCO I und II empfohlen. Bei kleinen Defekten scheint es effektiv zu sein, sie mit einer Knochentransplantation oder einer anschließenden Infusion mit dem gefäßerweiternden Wirkstoff Iloprost zu kombinieren.
- Umstellungsosteotomie. Hier versuchen die Ärzt*innen, durch Umstellung der Oberschenkelachse die abgestorbenen Gebiete des Hüftkopfs aus der Krafteinwirkung im Gelenk herauszudrehen. Dazu wird der Knochen durchtrennt und dann in der gewünschten Position wieder zusammengefügt und fixiert. Diese Operation ist sehr anspruchsvoll und kein Routineverfahren. Sie kommt in den ARCO-Stadien II und III zum Einsatz. Mögliche Komplikationen sind die Verkürzung des betroffenen Beines durch Umstellung des Gelenks und die Schädigung der Gesäßmuskeln.
- Knorpel- oder Knochen-Transplantationen. Das Verpflanzen neuen Gewebes ist bei der Hüftkopfnekrose noch in der Erprobung. Vor allem Knorpeltransplantationen haben bisher eher widersprüchliche Ergebnisse erbracht. Die Knochentransplantation hat in Kombination mit der Core Decompression bei sehr kleinen Nekrosen Erfolge gezeigt.
Gelenkprothese. Bei schweren Fällen mit Zerstörung des Gelenks (ARCO IV) bleibt als letzte Behandlungsmöglichkeit nur eine künstliche Hüfte (Hüft-Totalendoprothese). Meist wird dabei eine zementfreie Prothese eingesetzt, da aufgrund des jungen Alters der Patient*innen ein späterer Prothesenwechsel wahrscheinlich und dieser mit einer zementfreien Variante etwas einfacher ist.
Bei Patient*innen mit Sichelzellanämie oder einem Morbus Gaucher ist das Risiko erhöht, dass die Hüftgelenksprothese z. B. aufgrund von Lockerung oder Infektion früher ausgetauscht werden muss. Das Gleiche gilt für Patient*innen nach einer Nierentransplantation.
In seltenen Fällen heilen Hüftkopfnekrosen im frühen Stadium von selbst aus. Meist schreitet die Erkrankung jedoch fort. Unbehandelt dauert es etwa 2 bis 3 Jahre, bis das Hüftgelenk komplett zerstört ist.
Was Sie selbst tun können
Früh in die Arztpraxis. Hüftbeschwerden dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Vor allem bei der Hüftkopfnekrose hängt der Therapieerfolg entscheidend von einer frühen Therapie ab. Bei wiederholtem Ziehen oder Schmerzen in der Leiste ist deshalb möglichst bald eine Ärzt*in, am besten gleich eine Hüftspezialist*in aufzusuchen.
Sport. Wenn die Ärzt*in Sport erlaubt, eignen sich vor allem hüftschonende Sportarten wie Schwimmen oder Aquajogging. Mit der richtigen Technik sind meist auch Nordic Walking und gemäßigtes Radfahren möglich. Sobald Schmerzen auftreten, darf aber nicht mehr gesportelt werden.
Komplementäre Medizin
Zur Behandlung der Hüftkopfnekrose werden die unterschiedlichsten Verfahren empfohlen. Leider sind die meisten wenig effektiv. Die Leitlinien nehmen nach Sichtung entsprechender Studien dazu folgendermaßen Stellung:
- Die Hyperbare Sauerstofftherapie wird nicht empfohlen. Zwar kann sie in den frühen Stadien die Schmerzen reduzieren, hat aber keinen Effekt auf das Fortschreiten der Erkrankung.
- Auch für die Therapie mit Stoßwellen konnte keine Wirkung auf das Fortschreiten einer Hüftkopfnekrose nachgewiesen werden, das Gleiche gilt für Ultraschallbehandlungen. Beides wird deshalb von den Leitlinien nicht empfohlen.
- Die Elektrostimulation scheint zwar die klinischen Beschwerden in frühen Stadien zu bessern, verzögert das Fortschreiten der Erkrankung aber ebenfalls nicht. Die Leitlinien raten von der Therapie der Hüftkopfnekrose mit Elektrostimulation ab.