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Hamburger Forscher sind den Speichertricks des Gehirns auf der Spur. Sie beobachteten erstmals die Funktion einzelner Nervenzellverbindungen im Gehirn über sieben Tage hinweg. Ihre Ergebnisse legen nahe: Das Gehirn verwendet zum Speichern von Informationen ähnliche Strategien wie ein digitaler Computer.
Tempo der Informationsvermittlung gedrosselt
Der Hippocampus ist eine Struktur im Gehirn, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass wir uns längerfristig erinnern. Personen, deren Hippocampus zerstört ist, vergessen umgehend Situationen, die sie gerade erlebt haben. Beim Speichern von Informationen spielen die Nervenzellverbindungen, die Synapsen, eine wichtige Rolle. Sie übertragen Informationen von einer Nervenzelle zu anderen Zellen. Für ein funktionierendes Langzeitgedächtnis, so die gängige Lehrmeinung, müssen die Zellverbindungen stark sein und stabil bleiben. Dieser Prozess wird als „long-term plasticity“ bezeichnet.
Eine Studie von Forschern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) stellt die gängige Lehrmeinung in Frage. Im Labor beobachten die Wissenschaftler die Funktion einzelner Nervenzellverbindungen im Gehirn über sieben Tage hinweg. Die Forscher wandelten die Synapsen von Informations-Autobahnen in Tempo 30-Zonen um. „Wir haben die Stärke der Synapsen drastisch reduziert und die Zellverbindungen dann weiter beobachtet“, erläutert Prof. Oertner.
Speicherung: Von analog zu digital
Das Ergebnis nach sieben Tagen: „50 Prozent der manipulierten Synapsen lösten sich auf, die anderen 50 Prozent kehrten in den Ausgangszustand zurück“, sagt Dr. Simon Wiegert vom Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg (ZMNH). „Eine stabile Langzeitveränderung der Synapsen gibt es offenbar nicht. Demnach muss das Langzeitgedächtnis auch anders als bislang angenommen funktionieren.“
Die Wissenschaftler vermuten, dass das Gehirn ähnliche Strategien wie ein digitaler Computer verwendet, um Informationen über lange Zeiträume zu speichern. Dabei speichert der Hippocampus zunächst Information in „analoger“ Form, indem er die Stärke der Synapsen verändert. Doch dieser Zustand ist instabil. Nach wenigen Tagen ersetzt das Gehirn die analoge Speicherung durch eine „digitale“ Form. Einige Synapsen fallen aus, andere kehren in den Ausgangszustand zurück. „Digitale Speicherung ist wesentlich weniger anfällig für langsamen Zerfall. Das könnte erklären, wieso wir uns an Schlüsselerlebnisse aus Kindheit und Jugend bis ins hohe Alter erinnern“, erklärt Dr. Wiegert.